Samstag, 16. August 2014

White Star (Roland Klick, BRD 1983)

Roland Klick erinnert sich an die Produktionsgeschichte seines vorletzten Films als eine Geschichte fortlaufender Katastrophen. Zunächst sagte ein amerikanischer Produzent ab, der Geld für eine Starbesetzung zugesichert hatte, zu der neben Dennis Hopper auch Jane Birkin gehören sollte, das er letztlich nicht aufbringen konnte. Dann verließ auch ein deutscher Produzent das sinkende Schiff. Klick konnte nur noch Geld zusammenkriegen für Hopper und eine US-Army-Theatergruppe (dabei allerdings: David Hess, Freunden des härteren Genre-Kinos bekannt aus Filmen wie The Last House on the Left oder Autostop rosso sangue). Dann war da die Kokainabhängigkeit Hoppers, die den Drehplan vorgab. Weil er oft nicht in der Lage war, mehr als zwei Stunden am Tag zu spielen, konnten nur die notwendigsten Szenen gedreht werden. Dadurch fehle dem Film, so Klick, das "Verdünnungsmittel". Obwohl einige Szenen zur Auflockerung nachgedreht wurden, habe der Film auch in seiner endgültigen Version "Überdruck". Bei der Uraufführung auf dem Filmfestival Hof, habe es allerlei technische Probleme gegeben und der Film sei regelrecht durchgefallen.
Bezeichnenderweise beginnt White Star, dem man seine turbulente Produktionsgeschichte durchgehend ansieht, mit einem Konzert in einem Berliner Punk-Club, das ebenfalls katastrophal verläuft. Der Nachwuchsmusiker Moody wird ausgebuht, schließlich sogar mit einem wahren Bierdosenregen von der Bühne vertrieben.
Dennis Hopper spielt Moodys Manager Ken Barlow, dessen Glanzzeit vorbei ist. In seiner ersten Szene sehen wir ein Foto von Hoppers Gesicht in einem Aschenbecher, das er langsam von Asche befreit. Aus der Asche seiner Karriere möchte Barlow auferstehen. Moody zum Star zu machen, ist seine letzte Chance, das zu erreichen. Eine große Zukunft verspricht er ihm - und denkt dabei doch nur an seine eigene. Dabei sind ihm alle Mittel recht. Dass er, um werbewirksame Schlagzeilen zu bekommen, eine Straßenschlacht anzetteln lässt, ist erst der Anfang. So wie Hopper Barlow mit vollem Körpereinsatz spielt, setzt er auch die körperliche und geistige Unversehrtheit seines Schützlings aufs Spiel.
"Nothing is too much!" sagt Hopper einmal. Damit gibt er nicht nur das Credo für die Arbeitsweise seiner Figur vor, sondern zugleich für sein manisches Spiel - und die Eskalationspolitik des ganzen Films. Hopper, die halblangen, grauschwarzen Haare mal schleimig nach hinten gegelt, dann wieder strähnig ins Gesicht hängend, ketterauchend, die Zigarette manchmal beim Reden zwischen den Zähnen eingeklemmt, fuchtelt und zappelt, schreit und keift und flucht und tobt und rast durch ein Achtziger Jahre-West-Berlin, das selten apokalyptischer aussah. Die Handkamera ist mitten im Geschehen. Zwischen den Körpern randalierender Punks, fliegenden Bierdosen und Pflastersteinen. Zwischen Polizeihelmen, dem Asphalt und den Glasscheiben, an denen sich das Wasser des Regens mit dem der Wasserwerfer vermengt.
Einerseits ist Barlow damit eine weitere Klick-Figur durch und durch. Wie die Figuren in Deadlock, wie Willi in Supermarkt trägt er einen Kampf aus gegen eine kalte, indifferente Umwelt. Einen Kampf um das Geld, das nie das ist, worum es wirklich geht, aber doch das letzte, worum man noch kämpfen kann. Die Verzweiflung, mit der er kämpft, rührt auch für ihn von dem Wissen her, keine Chance zu haben - und mit umso größerer Insistenz zu versuchen, sie zu nutzen.
Andererseits bringt der Irrsinn, mit dem Hopper diese Figur verkörpert, den Film grundlegend aus dem Gleichgewicht, degradiert alle anderen Darsteller zu mehr oder minder belanglosen Nebenfiguren. Selbst in einer Szene, in der Hopper am Boden liegt und von einem entfesselten Mob zusammengeschlagen, letztlich von einem Punk sogar angepisst wird, versucht die Figur, aus dieser Situation noch Nutzen zu schlagen - und der Schauspieler den Film weiterhin ganz an sich zu reißen.
Das Problem daran ist nicht nur, dass Hoppers Spiel vor allem in der zweiten Filmhälfte zu Redundanz führt, einem gewissen Leerlauf im beständigen Over Drive, sondern auch dass das Ende nicht wirklich funktioniert. Mehr als jeder Protagonist in einem der vorherigen Filme des Regisseurs bekommt Moody sein Happy End. Das dann aber kaum etwas zur Sache tut. Ist man doch als Zuschauer ganz bei Hopper, der in seinem Mercedes, jetzt tatsächlich weinend, durch die regennassen, dunklen Berliner Straßen fährt, dem letztlich nur ein riesiger Schluck aus der Whiskey-Flasche und der Blick in den Himmel bleibt. Zu den weißen Sternen, die nicht mehr für ihn leuchten, dem Feuerwerk, das nicht seinen Erfolg feiert.

Wie schon Lieb Vaterland, magst ruhig sein, ist auch White Star aber als Berlin-Film ganz großartig. Es gibt eine Folge von statischen Einstellungen, die nur zur Auflockerung in den Film gelangt sind, und Stadtansichten zeigen. Die Straße des 17. Juni und eine Altbauruine. Im Morgennebel. Ein Kind, das mit seinem Hund an der Mauer entlangtollt. Die Menschen, die durch die Überführung am U-Bahnhof Möckernbrücke hin und her laufen. Diese Bilder geben der Mauerstadt eine Atmosphäre, strotzen ihr eine Aura ab, die sie zu einem eigenen, etwa ein-minütigen, wundervollen Querschnittsfilm machen.

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