Sonntag, 24. August 2014

Spider-Man (Sam Raimi, USA 2002)

Als ich mir letztes Jahr The Quick and the Dead ansah und er mir überraschend gut gefiel, hatte ich keine Ahnung, dass dieses Gefallen in eine kleine Privat-Retrospektive von Sam Raimis Gesamtwerk münden würde. (Die drei Evil Dead-Filme hatte ich mir schon im vorigen Sommer zur Vorbereitung auf das Remake erneut angesehen. Wo erstere, zumindest die ersten beiden, auch bei der x-ten Sichtung, Begeisterung auslösten, konnte ich letzterem, im Gegensatz zu vielen anderen, nicht viel abgewinnen.)
Gerade als ich bei Spider-Man ankam schienen zu viele andere Projekte, andere Filme dazwischen gekommen zu sein. Nachdem ich den Film nun nochmals gesehen habe, steht für mich fest, dass er zu gut ist, um als Karteileiche in meiner Posts-Liste zu enden.
Spider-Man ist nicht zwangsläufig der beste, aber doch der ultimative Sam Raimi-Film. Und mindestens dass er sowohl als Comic-Verfilmung, wie auch im Raimi-Universum vortrefflich funktioniert, unterscheidet den ersten Teil von seinen beiden Nachfolgern. Der Film ist zunächst voll von Raimiismen. Viele der Action-Szenen sind so inszeniert, dass man sich geradezu in einem Remake von Darkman wähnt. Die Szene in der Peter Parker sein Spider-Man-Kostüm entwirft ist video-clipartig mit mehreren übereinander liegenden Bildebenen angelegt, wie man es aus diversen anderen Filmen Raimis kennt. Bruce Campbell hat sein obligatorisches Cameo als Moderator einer Wrestling-Show, in der Parker versucht, seine neuen Superkräfte zu Geld zu machen. Bildet schon diese Szene die Miniatur einer White Trash-Hölle, die den Ursprung des Regisseurs beim humoresken Horrorfilm klar erkennen lässt, gibt es im Finale einen direkten Bildverweis aus The Evil Dead in Form einer Hand, die sich ihren Weg aus der Erde nach oben ins Freie sucht. Spider-Man verbindet das düstere Pathos von Darkman mit dem morality play aus A Simple Plan und der Emotionalität aus For Love of the Game (wobei sie hier wesentlich besser am Platz ist als dort)
Peter Parker (Tobey Maguire) ist der etwas nerdige Mittelklasse-Junge aus Queens, der bei seiner Tante und seinem Onkel lebt und unter dem popularity-Terror an seiner High School mächtig zu leiden hat. Nachdem er durch den Biss einer Spinne zu außergewöhnlichen Kräften gelangt, muss er nicht nur lernen mit diesen umzugehen, sondern auch sie sinnvoll einzusetzen. Der Film schließt die körperlichen Veränderungen, die Peter durchmacht, kurz mit den Prozessen der Pubertät. Und bei der Mann- wie der Spinnenwerdung zählt: "With great power, comes great responsibility."  Was die Art, wie diese Geschichte erzählt wird so grundsympathisch macht ist, dass sie mit der Produktionsgeschichte des Films zu korrespondieren scheint. Es ist tatsächlich so als würde Raimi, zum ersten Mal mit einem wirklich großen Budget betraut, ausprobieren, was man damit so alles anstellen kann. Die Abgeklärtheit des Mega-Blockbusters und das Gefühl einem Movie-Nerd zuzusehen, der sich mit 130 Millionen Dollar im Comic-Laden so richtig austobt, erzeugen produktive Reibung. Dass nicht alles an diesem Film gelungen aussieht, dass etwa viele der Spezialeffekte - mindestens - schlecht gealtert sind, und namentlich die Gestaltung von Spider-Mans großem Antagonisten, dem Geen Goblin, etwas bescheiden geraten ist, vermochte mir meine Freude an der Experimentierfreudigkeit des Films nicht zu vermiesen.
Es geht in Spider-Man immer auch um die Diskrepanz zwischen dem, was ganz offensichtlich larger than life ist und ganz alltäglichen, menschlichen Sorgen. Dass Peter im Spinnenkostüm zum Schrecken der Unterwelt werden, immer wieder die Welt im allgemeinen und Mary Jane Watson (Kirsten Dunst), die Frau in der er seit der ersten Klasse verliebt ist, im besonderen retten kann, heißt eben noch nicht, dass er im Stande wäre, sie zu einem Date einzuladen oder mit ihr über seine Gefühle zu sprechen.
Toby Maguire und Kirsten Dunst haben in diesem Film nicht nur den vielleicht berühmtesten Kuss der jüngeren Filmgeschichte, sie schaffen es auch dem Geschehen die nötige Erdung zu geben. Das dicht gesponnene Netz der Verwicklungen zwischen den Figuren, in dessen Zentrum das Wort Verantwortung hängt, wird durch die "Natürlichkeit" der beiden immer wieder zurückgeholt auf den Boden der Tatsachen eines gar nicht spießigen, aber dafür prekären Kleinbürgertums in Queens. Auch darüber hinaus ist der Film gut bestezt. Besonders Willem Dafoe verleiht seinem Osborn/Green Goblin in seiner Zwiegespaltenheit Tiefe. Seine Gespaltenheit vererbt er auch an seinen Sohn Harry, der zum Ende Peter Parker ein loyaler Freund bleibt, aber Spider-Man, von dessen wahrer Identität er nichts weiß, blutige Rache schwört. Besondere Erwähnung verdient auch J. K. Simmons als extrem geiziger, schnell-, groß- und kaltschnäuziger Zeitungsredakteur.
Alles in allem ist Sam Raimi mit seinem endgültigen Aufbruch in den Blockbuster-Geschäft ein Superheldenfilm gelungen, der mächtig Laune macht.   

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