Montag, 25. August 2014

Merrily We Go To Hell (Dorothy Arzner, USA 1932)

"I see you believe in signs." sagt Sylvia Sidney und meint die Leuchtreklame für Konserven, auf der ihr Familienname steht.
"Hmm-hmm. And all the signs point to three stars." antwortet Frederic March und meint das Etikett einer Schnapsflasche.
Einerseits ist das simple Symbolik. Die beiden Menschen, die sich in der ersten Szene des Films während einer Cocktail-Party auf dem Balkon vor einer herzigen Skyline-Attrappe kennenlernen, sind eine Konservenmillionärstochter und ein Alkoholiker.
Andererseits aber geht es Dorothy Arzner darum, ein Melodram zu schaffen, dass von allem symbolischen Überschuss befreit ist. In der Liebesgeschichte, die sich aus dieser Balkonszene der besonderen Art entwickeln wird, geht es um die Befreiung des Menschen von allem, was seinem Willen und seinem Streben zum Glück von außen übergestülpt oder in den Weg gelegt wird. Anders gesagt: damit die Zeichen nichts als Werbeschilder sind und die drei Sterne auf der Schnapsflasche nicht als drei Sterne auf der Schnapsflasche und die beiden Menschen, die sich zwischen den Zeichen und den Sternen ineinander verlieben, miteinander glücklich werden können, müssen sie sich zunächst jeder für sich befreien. Sie von dem Willen ihres Vaters, der, so grundliberal ist dieser Film auch in der Zeichnung seiner konservativeren Figuren, ganz ehrlich und ohne Klassendünkel ihr Bestes will, aber dennoch Schwierigkeiten hat, loszulassen und sie ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Er von der Schnapsflasche.
Trotz der Zweifel Sidneys an dem Mann, der am Anfang charmant und betrunken war, später hauptsächlich betrunken und unzuverlässig ist, läuten bald die Hochzeitsglocken (auf die übrigens übergeblendet wird von einer sehr schönen Einstellung von ihrem traurigen Gesicht, mit dem sie im Auto durch die Nacht fährt).
Ihre Zweifel erweisen sich zunächst als allzu berechtigt. March, der Journalist, der nebenher Stücke schreibt, verfällt mit seinem Durchbruch beim Theater wieder vollends der Flasche - und mit ihr einer verflossenen Liebe, die die Hauptrolle in seinem Stück spielt.
Was in der zweiten Filmhälfte beginnt ist ein Akt der Befreiung in Form eines Abwägens, das sich nach und nach aller Einflüsse von außen entledigt. Viele Pre-Code-Filme stellen ihre Amoral geradezu lustvoll aus (wogegen nichts zu sagen ist), Merrily We Go To Hell verfolgt einen anderen Weg oder eher: Er geht noch einen Schritt weiter. Auf dem Weg zur eigenen, freien, ungezwungenen Entscheidung lassen die beiden nicht nur die Zwänge gängiger christlicher Moralvorstellungen hinter sich, sondern auch den Zwang, sich ihnen genau entgegengesetzt zu verhalten. Es kommt zu einem Ende, das äußerlich den Vorgaben des Codes zu entsprechen scheint: Nach überwundener Krise dürfen sich die Eheleute wieder in die Arme fallen. Sie genügen damit aber eben nicht einem von Außen vorgegebenen moralischen Kodex, sondern folgen einfach ihrem Herzen. Sie hat gemerkt, dass sie seinen Seitensprung nicht einfach ignorieren oder in gleicher Münze heimzahlen kann. Er, dass das Leben mit seiner Frau mehr zu bieten hat, als die Aussicht, sich gemeinsam mit seiner geliebten tot zu saufen. So gibt es für die beiden Liebenden einen anderen Ausweg als den, den der tolle Titel verspricht.

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