Donnerstag, 5. März 2015

Hard Times (Walter Hill, USA 1975)

Bildergebnis für hard times 1975Mit dem Güterzug kommt Charles Bronson zu Beginn in den Film gefahren, die Ballonmütze auf dem Kopf wie die "Wild Boys of the Road". Aber von den harten Zeiten der Großen Depression, die im amerikanischen Kino der frühen Dreißiger so ausgiebig ihre Spuren hinterließen, erfährt man in Walter Hills erster Regie-Arbeit eigentlich so gut wie nichts. Oder eher - darin ist die Verschiebung vom historischen Kontext auf die Hauptfigur, die der deutsche Titel "Ein stahlharter Mann" vollzieht, durchaus interessant - die harten Zeiten erfahren in dem Mann, der zu Beginn kein anderes Kapital hat als sechs Dollar und seinen gestählten Körper, ihre Konkretion. Der Rest ist ein eher pittoreskes Bild vergangener Tage: Koloniale Fassaden (der Film spielt überwiegend in und um New Orleans), alte Autos und Anzüge, ein Gospel-Gottesdienst, Schuhputzer, Billardsalons.  
 Ivo Ritzer schreibt: "In seiner Konzeption von Kino verzichtet Hill stets auf eine Motivation der Figuren über ausführliche Hintergrundinformationen. Sie besitzen keine Geschichte und Leben im Hier und Jetzt. Das Kino von Walter Hill ist ein Kino der Präsenz im Präsens... Seine Welt ist eine Welt der puren Evidenz." Charles Bronson ist deshalb die ideale Besetzung für einen Hill-Film, weil er die Geschichte, von der wir nichts erfahren, gleichsam in seinen Gesichtszügen mit sich rumzutragen scheint. Nicht als Last und Leid, sondern als eine gewisse Abgeklärtheit, als eine Desillusionierung von der Welt, mit der er immer schon abgeschlossen hat. Das Lächeln, das immer auf diesen Zügen zu spielen scheint, ohne dass es sich kaum jemals manifestieren würde, verbindet Bronson mit dem Burt Lancaster aus Siodmaks "The Killers", der in der letzten Einstellung des Films nicht so sehr vor dem Zuschauer als vor der Einsicht in sein Scheitern, in die absolute Vergeblichkeit all seines Tuns gut aufgelegt den Hut zieht.
Bronson verdient sich sein Geld mit Street Fights, bei denen Männer mit bloßen Fäusten und fast ohne störendes Regelwerk aufeinander geschickt werden. Hier trifft er auf einen aufbrausenden, mit Leib und Seele zockenden und deshalb hoch verschuldeten James Coburn, der der eigentliche Kämpfer in diesem Film ist, während Bronson, in absoluter Sicherheit über seinen Sieg im Ring, doch eigentlich immer schon weiß, dass es für ihn nichts zu gewinnen gibt. Diese beiden gegensätzlichen Männer also tun sich gemeinsam mit Strother Martin als opiumabhängigem Amateur-Arzt zusammen, um in den Hierarchien des Business um die Kämpfe, bei denen um große Beträge gewettet wird langsam nach oben zu kämpfen.
Die Stärken von "Hard Times" werden offenbar, vergleicht man ihn mit anderen Filmen um illegal veranstaltete Faustkämpfe, die oft groß angelegte Ambitionen zu ihren Szenarien treiben, denen es darum geht, von Macht und Begehren in Zeiten der Sklaverei zu erzählen ("Mandingo") oder von der sadomasochistischen Triebabfuhr einer ganzen frustrierten und gelangweilten Männergeneration ("Fight Club"). "Hard Times" hingegen ist ein im besten Sinne kleiner, was seine historischen Implikationen angeht auf sehr entspannte weise unambitionierter Film, der sich nicht damit herumplagt, irgendetwas weltbewegendes, wichtiges oder besonders cleveres zu erzählen.
Darin kommen Film und Hauptfigur wiederum vorteilhaft zusammen. Warum Bronson die Strapaze der Kämpfe überhaupt noch auf sich nimmt, wird eigentlich nie so ganz klar. Ums Geld geht es ihm sagt er mehrmals. Nur weiß einer wie er mit Geld so wenig anzufangen, dass er am Ende einen Großteil davon verschenkt. Auch scheint es eher unwahrscheinlich, dass er der Welt, die er doch längst abgeschrieben hat, noch etwas beweisen muss, etwa was für ein stahlharter Mann er ist.
Seine Art, über den Dingen zu stehen wird besonders deutlich in seinem Verhältnis zum von Bronsons real life-Ehefrau Jill Ireland gespielten love interest. Ein Leben mit ihr hätte vielleicht etwas sein können, wofür er sein hart erkämpftes Geld brauchen könnte. Weil sie andere Vorstellungen hat als er, geht er einfach, wortlos wie immer, um Männerangelegenheiten zu regeln. "Dann eben nicht" scheinen seine reglosen Züge zu sagen und damit sein Lebensmotto griffig auf den Punkt zu bringen.   

Focus (Glenn Ficarra, John Requa, USA 2014)

"Gedränge nur dem Dieb gefällt, drum Augen auf und Hand aufs Geld." Mit diesem Reim warnte die Berliner Polizei einst vor Dieben in der U-Bahn. Und "Focus", ein Film über Diebe und ihre groß angelegten Betrügereien, lässt es sich im Gedränge, in der Menschenmenge so richtig gut gehen, fühlt sich hier sichtlich pudelwohl. Die Hand am Geld respektive der Uhr oder den Klunkern haben hier nur Nicky (Will Smith) und seine Bande. Unter vorgehaltenem Stadtplan oder die Augen und Ohren ablenkendem Tohuwabohu entwenden sie den Menschen in der Masse allerlei Wertgegenstände. In einem besonders imposanten Clou wird die Kreditkarte aus einer Tasche gezogen, mit dem mitgebrachten Scanner die Daten aus ihr gelesen und sie dann wieder dahin befördert, wo sie herkam. Die Art, wie die Kamera sich dazu verhält, im Gedränge den Überblick über die blitzschnell zugreifenden Hände und mit allerlei Ablenkungsmanövern beschäftigten Körper behält, zeigt eindeutig: Dieser Film verschreibt sich mit Leib und Seele dem Geschäft seiner Hauptfiguren. Dazu passt gut, dass die Diebe und con artists in dieser Gaunerkomödie keinerlei Gegenspieler auf der anderen Seite des Gesetzes haben. Die Gesetzeshüter, die sich ihnen in den Weg stellen könnten, scheinen diese Profis längst abgehängt zu haben. Gefährlich werden können sie sich nur noch untereinander.
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