»Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen
die Toten auf die Erde zurück.«
Peter
in »Dawn of the Dead«
Und
der Ort, an den die Untoten in George A. Romeros Zombiefilm-Klassiker »Dawn of
the Dead« (USA 1978) zurückkehren, ist eines jener Einkaufsparadiese, die im
Jahr 1978 groß im Kommen waren. Wie es in einem Dialog heißt: »Eines dieser
Einkaufscenter auf der grünen Wiese, wo es alles gibt und alles ein bisschen
billiger ist.« Die Glücksversprechen »alles« und »billiger« scheinen bei Romero
bis über den Tod hinaus zu wirken. Eine der Figuren mutmaßt, dass die Untoten
das Center heimsuchen, weil es sie instinktiv an diesen Ort zieht, der ihnen im
Leben so viel bedeutete. Die beiden Sondereinheitspolizisten Peter (Ken Foree)
und Roger (David Emgee), Steve (Scott H. Reiniger) und seine schwangere
Freundin Francine (Gaylen Ross) landen auf ihrer Flucht vor der Seuche, die die
Toten als menschenfleischfressende Zombies wieder auferstehen lässt, mit dem
Hubschrauber in dem riesigen Einkaufszentrum. Es gelingt ihnen zwar, die Läden
von Zombies zu »säubern« und die Zugänge des Centers mit LKWs zu
verbarrikadieren, sie müssen sich aber später mit einer Biker-Gang
auseinandersetzen, die keine Lust hat, ihnen diesen vielversprechenden
Unterschlupf kampflos zu überlassen.
Im
zweiten Teil von Romeros »Dead«-Saga, der sich unter
Genre-Aficionados zu einem Kultfilm entwickelte, wird das Einkaufszentrum, so
Georg Seeßlen, zu einem »Brennspiegel der menschlichen Befindlichkeit.«
Romeros
grimmige Kritik an der Konsumgesellschaft lässt sich in verschiedene Ebenen
auffächern. Zunächst ist da die Darstellung der Untoten, in der Seeßlen gerade
das sieht, was den Film auch für ein studentisches, linkes Publikum interessant
macht: »Diese Zombies – waren das nicht die ›Verdammten dieser Erde‹? Die
ausgebeuteten Massen, das Heer der Verlierer, der Obdachlosen, der
Lumpenproletarier, der Kranken und Ausgesetzten, der Street Trash?« Sie seien »eine gierige und gerade in ihrer
Trägheit gefährliche Masse, die den Konsum einfach wörtlich nimmt: Fressen.« Dass die »Zombies im Kaufhaus«, wie sie ein
alter deutscher Video-Titel des Films verspricht, letztlich wir alle sind, ist
die offensichtliche satirische Komponente des Films, die dadurch unterstrichen
wird, dass gerade die Bilder der die Gänge entlang und die Rolltreppen hinauf
und herab wankenden Zombies für die humoristische Einlagen sorgen (in diesem
Kontext von einem comic relief zu
sprechen, das das blutrünstige Treiben des Films auflockern würde, fällt wohl
eher schwer).
Doch
scheint der Rückzugsraum der Mall nicht nur von außen bedroht. Nachdem die drei
Überlebenden (Roger wurde inzwischen von einem Zombie gebissen und, nachdem er
sich selbst verwandelt hat, von Peter erschossen) alle Zombies im Center
getötet, die Tore versperrt und somit freien Zugriff auf die Geschäfte haben,
sowie vor dem Eintreffen der Rocker, gerade dann also, wenn sie vorübergehend
in Sicherheit sind, tritt ein anderes Problem auf: Langeweile. Romero
inszeniert die Räume, die sie sich luxuriös und geschmackvoll einrichten, in
denen Steve und Francine ein raffiniertes candlelight
dinner abhalten, bei dem um – buchstäblich – sinnlos hohe Beträge gepokert
wird und nur das weiße Rauschen im Fernseher an die Apokalypse draußen
erinnert, überdeutlich als goldenen Käfig. Die klaren und – im Gegensatz zu den
schnell geschnittenen Action-Szenen – relativ langen Einstellungen, die
bisweilen entfernt an die Filme Rainer Werner Fassbinders erinnern,
verdeutlichen die Leere und Entfremdung des Lebens im absoluten materiellen
Überfluss.
Schließlich
werden sie auch aus diesem noch so brüchigen Paradies vertrieben im
»Territorialkrieg« mit den Rockern, wobei ein Tipi-Modell, das während der
Auseinandersetzung zerstört wird, Assoziationen zur amerikanischen
Kolonialgeschichte und dem Genozid an den Ureinwohnern des Kontinents
hervorruft. In den »Dead«-Filmen wiederholt es sich immer wieder, dass die
Rückzugsräume, die letzten Bastionen der Menschen nicht durch die Zombies,
sondern durch die Uneinigkeit unter den Überlebenden zerstört werden. In
letzter Instanz ist bei Romero nicht der Untote, sondern der lebende Mensch des
Menschen Wolf.
Zeigte
»Dawn of the Dead« auch, welch effektiver Schauplatz für einen Horrorfilm ein
Einkaufszentrum ist mit seinen riesigen Katakomben und verzweigten Nebenräumen,
seinen endlosen Reihen von Regalen, hinter deren jedem das Verderben lauern
kann, wurde dieser Impuls in den Achtzigerjahren in einigen kleineren
Produktionen aufgegriffen.
In
»Chopping Mall« (USA 1986, Regie: Jim Wynorski) werden drei rollende
Kampfroboter eingesetzt, um die Läden eines Einkaufszentrums nachts vor
Einbrechern zu schützen
(eine
etwas andere Variante der Security Guards, die fester Bestandteil des
Mall-Films sind). Als der Computer, der die Maschinen zentral steuert,
durch ein Gewitter Schaden nimmt, laufen die Roboter Amok und beginnen jeden,
der ihnen über den Weg läuft, zu eliminieren. Sehr zum Leidwesen einiger
jugendlicher Angestellter des Zentrums, die hier nach Ladenschluss zu einer
feucht-fröhlichen Party laden. Wirkt sich die Notwendigkeit der Bewachung der
Konsumtempel auch auf ihre filmische Repräsentation aus, in der die Security
Guards, wie wir gesehen haben, fester Bestandteil des Figuren-Repertoires sind,
führt hier gerade ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis zu einem Massaker.
Zugleich erscheint die Mall von Anfang an als eine regelrechte Galerie eher
amerikanischer Trash- als Populärkultur, was durch die vielen Verweise auf die
Filmgeschichte unterstrichen wird.
Die Kritik an einer Gesellschaft, deren Technik-Vertrauen
und übersteigertes Sicherheitsbedürfnis hier zu einem Massaker führen, bleibt
Rudiment. Stattdessen nutzt dieses durchaus vergnügliche und routiniert
inszenierte B-Movie seinen Plot eher für die Reihung zunächst vor allem
barbusiger, später dann überwiegend blutiger und pyrotechnischer Attraktionen.
Von Anfang an erscheint die Mall als eine regelrechte Galerie eher
amerikanischer Trash- als Populärkultur. Schon im Vorspann, wenn die Kamera
einen komödiantischen Rundgang durch das Center macht, vorbei unter anderem an
heiß umkämpften Videospielautomaten, einer Kellnerin, die ein mit Coca
Cola-Bechern überfülltes Tablett durch das Café balanciert, einem Jungen auf
dem Skateboard und einem wild knutschenden Paar. Der Film, den Julie mit-Corman
produziert, Ehefrau von B-Film-Ikone Roger Corman, verbindet Elemente der in
den Achtziger Jahren sehr beliebten teenie
slasher-Filme mit Anspielungen auf die obskuren Bedrohungsszenarien des
Science Fiction-Kinos der Fünfziger, an die vor allem die charmant billigen
Spezialeffekte erinnern. Auch die Namensgebungen der einzelnen Geschäfte sind
gespickt mit Referenzen an die Filmgeschichte, so heißt der bestens sortierte
Waffenladen nach dem legendären Western- und Thriller-Regisseur Sam Peckinpah
„Peckinpahs“ eine Tierhandlung „Roger’s Little Shop of Pets“, in Anlehnung an
Roger Cormans Kultfilm „The Little Shop of Horrors“ (USA 1960). Auch die
Chopping Mall ist also ein durch und durch filmischer Raum.
Das
Einkaufszentrum in »Phantom of the Mall: Eric’s Revenge« (»Phantom Nightmare«,
USA 1989, Regie: Richard Friedman) wird von einem etwas anderen, aber nicht
weniger blutrünstigen Sicherheitsproblem heimgesucht. Weil das Haus, in dem
Eric (Derek Rydall) mit seinen Eltern lebte, beim Bau der Mall im Weg war und
sich die Familie weigerte, es zu verkaufen, ließ der skrupellose Unternehmer
Harv Posner (Jonathan Goldsmith) es kurzerhand niederbrennen. Jedoch fielen dem
Feuer nur Erics Eltern zum Opfer, während er selbst mit schweren Verbrennungen
überlebte. Nun hat er sich in den Katakomben unter dem Center häuslich
eingerichtet und verfolgt nur noch zwei Ziele: Rache zu nehmen an den Menschen,
die sein Leben zerstörten, und seine Freundin Melody (Kari Whitman)
zurückzuerobern.
Die
kritischen Tendenzen dieses Splatterfilms, angelehnt an Motive von Gaston
Leroux‘ berühmtem Roman „Das Phantom der Oper“, mögen vordergründiges Mittel
für die Identifikation des Zuschauers sowie Referenz an „Dawn of the Dead“
sein.[1] (Der
Bezug wird auch offensichtlich hergestellt durch die Besetzung von
„Dawn“-Darsteller Ken Foree als Wachmann. Bleibt abschließend zu sagen, dass
wohl kein anderer Film das gesellschaftskritische und satirische Potenzial des Mall-Horrors so ausgefeilt
nutzte, wie Romeros Meisterwerk. Davon mag auch das Remake des Films (USA 2004,
Regie: Zack Snyder) Zeugnis ablegen; Hier ist das Einkaufszentrum recht
effektiver, aber letztlich austauschbarer Schauplatz für ein Splatter- und Action-geladenes
Endzeit-Spektakel.)
Glücksversprechen
der Warenwelt ausschließt.
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