Donnerstag, 14. August 2014

Mall Movies I: Einführung

In der dieser Tage erscheinenden neuen Ausgabe der "Tattva Viveka: Zeitschrift für Wissenschaft, Philosophie und spirituelle Kultur" findet sich meine "Kleine Filmgeschichte des Einkaufszentrums" (übrigens mein erster Print-Text :) )

An dieser Stelle werde ich das Essay (in die einzelnen Kapitel unterteilt) ebenfalls veröffentlichen. Dabei handelt es sich um einen "Director's Cut", in dem einige für die Tattva vorgenommene Änderungen, rückgängig gemacht werden. Fußnoten werden in Klammern und durch andere Schriftgröße Kenntlich in den Fließtext übernommen.  



Das moderne Einkaufszentrum hat in den letzten Dekaden die Struktur des Einzelhandels grundlegend verändert.1#(Die erste Shopping Mall entstand 1956 in den USA, bei Minneapolis. Die Kriterien zur Definition eines Einkaufszentrums (in Abgrenzung zu Einkaufspassagen, Kaufhäusern, etc.) bestehen unter anderem darin, dass es als ein einziges Gebäude angelegt ist, in dem das Center-Management als Vermieter für die einzelnen Geschäfte auftritt. Für ausführlichere Informationen siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Einkaufszentrum.Wenn auch nicht hundert Prozent korrekt, werden aus praktischen und kosmetischen Gründen in diesem Text die Begriffe Einkaufszentrum, Shopping Mall oder Shopping Center synonym verwendet.) 
In der folgenden Abhandlung sollen anhand unterschiedlicher Filme diese Veränderungen skizzieren werden.


Der Dokumentarfilm »Die Schöpfer der Einkaufswelten« (Deutschland, 2001, Regie: Harun Farocki) gibt einen Eindruck davon, welch minutiöse Detail-Arbeit die Errichtung eines solchen Centers ist. Ohne Interviews, extradiegetische Musik oder einen Voice-Over-Kommentar vollzieht der Film die Planungsprozesse von Shopping Malls nach. An welcher Stelle im Supermarktregal steht das Knäckebrot? Wie kann ein Traditionsunternehmen, das Kleidung im Trachtenstil verkauft, seinen Laden gestalten, um auch ein jüngeres, weniger konservatives Publikum anzusprechen? Wie kann sich die Fassade eines Centers in ein historisches Stadtbild einfügen oder der Stil eines griechischen Restaurants in den »Miami Vice«-Look des Zentrums als Ganzem?
Farockis Film lässt das Einkaufscenter auch als dezidiert »filmischen« Raum erscheinen. Durch und durch, bis ins kleinste Detail »inszeniert«, folgt das Center einer »Dramaturgie«, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen über Blickachsen und Assoziationsketten erstellt wurde. Und dazu, dass in der Gestaltung der Center nichts dem Zufall überlassen bleibt, ähnlich wie, sagen wir, in den filmischen Räumen eines Alfred Hitchcock oder Stanley Kubrick, gehören natürlich auch die richtigen Erzählungen, die kleinen und großen Versprechen von Glück, Freiheit und Unabhängigkeit, die die Werbung seit jeher nutzt, um Waren an den Mann oder die Frau zu bringen.
Da nimmt es kaum wunder, dass sich Spielfilme verschiedener Genres und Provenienz immer wieder die Shopping Mall als Schauplatz wählen. Und: So unterschiedlich wie die Standpunkte zur Mall in der Realität sind, fallen auch ihre verschiedenen filmischen Repräsentationen aus. Ist das Shopping-Center ein praktischer Ort, weil man ohne einen Parkplatz suchen zu müssen sein Brot, die Zahnbürste, das fehlende Kabel für die Anlage und ein neues Paar Schuhe unter einem Dach bekommt? Ist es darüber hinaus ein Ort sozialer Interaktion, wo die Jungen »abhängen« und Konsole spielen können und die Alten ihren Kaffee trinken? Oder ist seine akribisch geplante Architektur, die ganz dem Sinn untergeordnet ist, die Menschen zum Geld-Ausgeben, zum Konsumieren zu bewegen, eher ein Sinnbild für alles, was am Kapitalismus schlecht – und hässlich – ist? Ein Paradies der »Konsumgesellschaft« oder doch der Ort, an dem sie ihren ganzen »infernalischen« Charakter offenbart? Einige der sehr unterschiedlichen Antworten, die das Kino auf diese Fragen gegeben hat, sollen in diesem Text kurz skizziert werden.

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