Freitag, 12. Dezember 2014

Lluvia (Paula Hernández, Argentinien 2008)

Lluvia habe ich das erste Mal im FSK gesehen, ohne vorher irgendetwas über ihn zu wissen. Die freudige Überraschung über diesen zugleich absolut unaufgeregten und doch eindrücklichen kleinen Film machten das zum wohl schönsten Kinoerlebnis 2011.
Es ist gut möglich, dass meine Begeisterung für den Regen im Kino maßgeblich von diesem Film ausgeht. In Lluvia ist es als würde nicht nur der Schauplatz, Buenos Aires, aus dem Regen Kontur annehmen, aus Lichtern hinter der verregneten Windschutzscheibe langsam zusammenfließen, im Rhythmus der Scheibenwerfer Gestalt annehmen, um sich sogleich wieder zu verflüchtigen, oder genauer: zu verflüssigen, sondern das gleiche scheint auch für die beiden Hauptfiguren des Films zu gelten und für die Beziehung, die sich zwischen ihnen entwickeln wird.
Zu Beginn sitzt eine Frau alleine in ihrem Auto und fährt durch eine verregnete Großstadtnacht. Als sie im Stau stehen bleibt, steigt plötzlich von draußen, aus dem Regen ein fremder Mann zu ihr ins Auto. Das bedrohliche Moment an dieser Situation hält nur einige Sekunden vor. Schnell wird klar, dass der verletzte Mann vor etwas auf der Flucht war und nur einen Unterschlupf suchte. Nach und nach kommen die beiden ins Gespräch und einander ganz allmählich näher.
Was Alma (Valeria Bertuccelli)  und Roberto (Ernesto Alterio) eint, ist das sich beide in einer Umbruchphase in ihrem Leben befinden. Roberto lebt seit seiner Kindheit in Madrid, wo er Frau und Kind hat. In seine Geburtsstadt Buenos Aires kam er, weil sein Vater im Sterben liegt.
Alma hat ihren Mann verlassen und wohnt seitdem in ihrem Auto, mit dem sie unermüdlich durch die Stadt fährt.
Es ist ein beständiges Spiel von Anziehung und Abstoßung, das sie von den ersten gemeinsamen Momenten an zu verbinden scheint. Nach und nach gibt jeder ein wenig von sich preis, dann gibt es harte Worte, einen Konflikt und eine vorübergehende Trennung. Die Dynamik, die diesem langsamen Ertasten des Gegenübers und der Bereitschaft, sich ihm anzuvertrauen zu Grunde liegt, ist wohl ein Konflikt, nicht so sehr zwischen den beiden als in jedem selbst. Es geht um ein Austarieren der Hemmung, einem Wildfremden die eigenen intimen Geheimnisse und Dilemmata mitzuteilen gegen das Verlangen, in der schwierigen und einsamen Situation, in der sie sich gerade befinden, nicht alleine zu sein. Die Arten mit ihren jeweiligen Gefühlen umzugehen variieren. Während Alma mehrmals unvermittelt in Tränen ausbricht, muss bei Roberto schon ein Klavier aus dem Fenster fliegen, um von seinem Vater, der Musiker war, Abschied zu nehmen und sich zugleich der eigenen Herkunft zu stellen.
Bei der langsamen und schwierigen Annäherung zwischen zwei Menschen, von der der Film erzählt, ist die Sicht des Zuschauers die ganz subjektive der Figuren. Wie sie den jeweils anderen, lernen auch wir sie Stück für Stück kennen. Nach und nach bekommen sie einen Namen, eine Geschichte, einen Charakter, bis wir schließlich wissen, wie sie in die Situation kamen, in der sich ihre Wege kreuzten. Durch diese behutsame Art des Erzählens, scheinen die Figuren im beständigen Werden begriffen zu sein, sich ganz langsam vor unseren Augen zu entwickeln.
Der Film steuert zu auf die Sex-Szene im Auto, die für Alma und Roberto nicht den Beginn, sondern das Ende ihrer Beziehung markiert. Von der Ansicht der Gesichter, die, wie immer wieder in diesem Film, durch die verregneten Scheiben zu sehen sind, kommt ein Schnitt ins Innere des Autos. Auf die beiden Liebenden, die einige Momente der Zärtlichkeit und Geborgenheit, der Sicherheit vor dem Regen finden. Der Film findet dann zu einem gar nicht verhaltenen Happy End mit einigen statischen Einstellungen von den Orten, an denen sich die beiden aufgehalten haben, nun menschenleer und dem Close-Up von Valeria Bertuccellis Gesicht, das ein paar Sonnenstrahlen abbekommt.
Bei der mehrmaligen Sichtung fragte ich mich kurz doch, ob der Film sich seiner verregneten Atmosphäre, bestärkt durch melancholische und sphärische Synthesizer- und Klavierklänge, nicht doch etwas zu sicher ist, zu berechnend wirkt. Alles in allem überwiegt jedoch die Freude an der Einfachheit mit der hier eine an sich ziemlich komplizierte kleine Liebesgeschichte erzählt wird, die die Vergänglichkeit nicht fürchtet, sondern sich ihr stellt und sie umarmt.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Foxcatcher (Bennett Miller, USA 2014)

"Sieger im Sport, Gewinner im Leben und aufrichtige Bürger der USA", lautet die Trainer-Philosophie von John du Pont. Zu Beginn machen weder seine sportlichen Erfolge noch seine Aufrichtigkeit aus Mark Schultz einen Gewinner. Die Goldmedaille, die er im Ringkampf bei den olympischen Spielen 1984 holte, kommt in einen Schrein voll anderer Trophäen in seiner kargen, eher ärmlichen Wohnung. Der Himmel ist grau, die Straßen schimmern regennass und die Breitbild-Fotografie scheint vor allem dazu bestimmt, weite Räume zu schaffen, in denen sich die Einsamkeit, die Isolation zeigt, in der Mark (Channing Tatum) lebt. Das Einlösen eines Schecks über 20 Dollar steht auf der Tagesordnung und Instant-Nudeln stehen auf dem Speiseplan. Außerdem trainiert er weiter unermüdlich den Sport, der ihm offenbar kein großes, sonders bislang eher ein ziemlich tristes Leben beschert hat.

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