Dienstag, 26. August 2014

Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica (Damiano Damiani, Italien 1971)


Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert

Etwa in der Mitte des Films gibt es eine Miniatur, die in gut zehn Minuten das Netz aus Angst und Mord und mehr Angst und mehr Morden erklärt, durch das die Mafia funktioniert. In Rückblenden erzählt wird die Geschichte eines jungen, unerschrockenen Gewerkschafters, der öffentlich das Netzwerk zur Ausbeutung, Unterdrückung und Entrechtung der Arbeiter und namentlich den Clan-Chef Lumonno (Luciano Gattenaci) anklagt. Am helllichten Tag, vor versammelter Polizei und in Anwesenheit Lumonnos und seiner Männer, wird er ins Bein geschossen. Der Schütze bleibt unerkannt. Niemand eilt dem Mann, der verwundet am Boden liegt, zur Hilfe solange die Mafiosi vor Ort sind. Einige Jahre später wird er ermordet. Es gibt einen Zeugen. Einen etwa zehnjährigen Hirtenjungen. Auch er wird umgebracht. Die Kamera von Claudio Ragona hält drauf, wie zwei Männer den Jungen greifen, wie er eine gefühlte Ewigkeit einen Abhang hinabfällt.
Diese Erzählung teilt den Film klar in zwei Hälften. Nach ihr liegen die Karten auf dem Tisch. Was vorher nur angedeutet wurde, tritt jetzt klar zu Tage. Lumonno, der zu Beginn einem Mordanschlag entgeht, ist Teil eines durch und durch bösen Systems (das Wort "Mafia" fällt in dem Film übrigens nicht). Die undurchsichtige Rolle, die der Mann einnahm, der die Geschichte erzählt, Kommissar Bonavia (Martin Balsam), der zu Beginn mit unlauteren Mitteln dafür sorgte, dass ein Mann aus der Psychiatrie entlassen wird, der Grund hatte Lumonno zu töten und es auch versuchte, wird auch klar. Er will Gerechtigkeit. Genau wie der Mann, dem er die Geschichte erzählte, Staatsanwalt Traini (Franco Nero), der allerdings zunächst sein Widersacher sein muss, weil er noch daran glaubt, dass die Gerechtigkeit mit legalen Mitteln zu erreichen sei. Von hier muss Confessione auf eine Desillusionsgeschichte der bitterbösen Art hinauslaufen.
Der Plot ist kompliziert. Was eigentlich nur bedeutet, dass fast alles, was in Justiz, Politik und Wirtschaft Rang und Namen hat, an den mörderischen Machenschaften mitverdient, durch die unter anderem riesige Wohnviertel entstehen (siehe den deutschen Titel).
Damianis Meisterschaft liegt nicht nur darin, mit welcher Dichte er diese hoffnungslose Geschichte erzählt, bei der Franco Nero letztlich nichts erreicht, als herauszufinden, welche Maßstäbe das hat, woran er nichts ändern kann, sondern auch in der Atmosphäre der allgegenwärtigen Angst, die er den Mitteln des Kinos abringt. Nur ein Beispiel: eine Frau, die eine wichtige Zeugin sein könnte, flieht über einen Markt. Die Handkamera folgt ihr, während sie sich immer wieder panisch nach hinten umsieht, auf Schritt und Tritt. Die Lichter der Stände leuchten grell. Hier gibt es keine Ecke, in der sie sich verbergen könnte, während jeder in dem Gedränge der Straße eine potenzielle Gefahr darstellt. Dann kommt der Schnitt in die Totale, in der wie die Frau davongehen sehen. Die Kamera selbst wird zur Bedrohung, die überall ist. Sie muss ihr nicht dich folgen, um ihr auf den Fersen zu bleiben.
Die emotionale Wucht bezieht der Film schließlich aus seinem Pessimismus. Gerade dass sich an dem Netz aus Angst und Mord und mehr Angst und mehr Morden nichts verändert, geht am Schluss durch Mark und Bein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen