Mittwoch, 28. Januar 2015

Incompresa / Missverstanden (Asia Argento, Italien, Frankreich 2014)

Es ist das Jahr 1984 und Aria ist neun. Sie driftet durch die nächtlichen Straßen Roms, schwer bepackt mit ihrem riesigen Rucksack und einem Käfig mit ihrer engsten Verbündeten: der schwarzen Katze Dac. Ein Kind ohne einen Platz in der Welt. Nach der ruppig gewaltsamen Trennung ihrer egozentrischen Eltern, deren Zusammenleben bestimmt wurde von Geschrei, Gewalt und gegenseitigen Anschuldigungen, bleibt ihre älteste Halbschwester beim Vater (Gabriel Garko), die mittlere bei der Mutter (Charlotte Gainsbourg). Aria aber, die jüngste und einzige Tochter aus der wahrlich unheiligen Allianz, fällt durchs Raster. Sie wird mal von der Mutter, einer neurotischen Pianistin, (Guilia Salerno), deren beständige Sinnsuche sie zu Kommunismus, Buddhismus und ständig wechselnden Partnern treibt, aufgenommen und wieder verstoßen, dann wieder vom Vater, einem so eitlen wie hysterisch abergläubischen Filmstar.
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Montag, 19. Januar 2015

Top 25 Filme 2014...

...ausgewählt von den Kritiker_innen der filmgazette.

Weitere Favoriten, die es ganz knapp nicht in die Liste geschafft haben bzw. mir einfach nur nicht in den Sinn kamen:

Die geliebten Schwestern (Dominik Graf)
Night Moves (Kelly Reichardt)
Nymph()maniac (Lars von Trier)

Samstag, 17. Januar 2015

Der Fan (Eckhart Schmidt, BRD 1982)

Starkult und Kannibalismus

Die erste Einstellung zeigt Désirée Nosbuschs Augenpartie. Dazu hören wir einen Herzschlag, der sich beschleunigt. "Italienische" wird diese Art der Einstellung im Fachjargon genannt, nach ihrem beliebten Gebrauch in den Spaghetti-Western von Leone und Co. Es ist bezeichnend für Eckhart Schmidts Film "Der Fan", dass er, einerseits tief in der popkulturellen Gegenwart der Bundesrepublik im Jahr 1982 verwurzelt, doch andererseits gleich mit dem ersten Bild über die Enge seines filmhistorischen Entstehungskontextes hinausweist.
 
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Freitag, 16. Januar 2015

The Gambler (Rupert Wyatt, USA 2014)

Das Glück als Glückssache

Zielstrebig bewegt er sich durch die zwielichtigen Räume. Vorbei an den Tischen voller Menschen, überwiegend Männer, von denen einige, während sie auf das ganz große Glück warten, nervös an ihren E-Zigaretten ziehen. Am Ziel seines Ganges durch diese Unterwelt setzt er alles auf eine Karte, gewinnt zunächst Unsummen, setzt weiter alles auf eine Karte. Unruhig blickt die Dealerin zu ihren Vorgesetzten, der Erlaubnis harrend, das Spiel fortzusetzen. Es sei zu seinem eigenen Schutz, erklärt sie ihm. Doch gerade diesen Schutz will er nicht. Er will weiter spielen, immer alles auf eine Karte, bis er alles verloren hat. Und wenn er das noble Gambling Establishment verlässt, hat Jim Bennett (Mark Wahlberg) 60.000 Dollar Schulden - selbstverständlich bei Leuten, denen man besser kein Geld schuldig bleibt.
 
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Sonntag, 4. Januar 2015

The Pirate (Vincente Minnelli, USA 1948)

"Macoco leaves a flaming trail of masculinity/ And suddenly I feel I've got a big affinity/ And I'm loco for Mack, Mack, Mack the Black Macoco"

Alles beginnt mit einer Frauenphantasie. Judy Garland träumt davon, von dem berüchtigten Piraten "Mack the Black" Macoco verführt zu werden, und mit ihm aus ihrem karibischen Kaff fortzukommen in die große weite Welt. Der sexuelle Gehalt dieser Phantasie ist so offenkundig, dass sie um das Lied von ihrer Anbetung für den Piraten zu singen unter Hypnose stehen muss.
Auf der Seite ihres Gegenparts, Gene Kelly, gibt es zunächst eine weitaus gewöhnlichere Männerphantasie. So vielen schönen Frauen begegnet er als reisender Schauspieler, dass er sich in seiner ersten Nummer - vielleicht gleich der schönsten des ganzen Films - darauf verlegt, sie alle mit einem einzigen Namen anzusprechen: Ninia. So tänzelt er sich von einer Schönheit zur nächsten (Ninia, Ninia, Ninia, Ninia), kreuz und quer und auf und ab durch die rührigen Tropendorfkulissen. (Bemerkenswert an dieser Szene ist auch, wie die Frauen in ihrem Verlauf vom Objekt zum Subjekt des Blickes werden, wie Kelly zunächst viele attraktive Frauen sieht, um schließlich beim Tango auf einem Podest selbst zur Attraktion für die nun weiblichen Blickträgerinnen zu werden.)
Um von der Polygamie dieser Phantasie "geheilt" zu werden, bedarf es nur eines einzigen Blickes auf Garland. Männerliebe ist im Musical immer Liebe auf den ersten Blick, der einschlägt wie ein Blitz. Die Frau widersteht den beharrlichen Avancen, dem Stürmen und Drängeln zunächst, muss erst nach und nach erobert werden. So auch Garland hier, die ja in Macoco verliebt ist, den Mann ihrer Phantasie, die in Filmen wie diesem allemal der schnöden Realität überlegen ist.
Doch Kelly und der Pirat haben zunächst noch einen Mitbewerber. Ihre Tante, bei der Garland lebt, hat eine gewinnbringend Hochzeit mit dem Bürgermeister des Ortes (Walter Slezak) arrangiert. Weit über die erste Hälfte des Films und durch einen wunderbar abstrusen Plot Point hindurch, bleibt Macoco, der Phantasiemann, das Objekt von Garlands Begehren. In einem doppelbödigen Spiel der falschen Identitäten gilt es, Macoco zu sein, um ihr Herz zu gewinnen.
Von den Musicals, die ich in den letzten Wochen im Arsenal gesehen habe, ist The Pirate vielleicht das schönste, jedenfalls das, in dem mir Judy Garland am besten gefiel. Sie gibt ihre Rolle mit einer Hysterie, die das ganze Figuren-Dreieck, ja, den ganzen Film ansteckt. Die Inbrunst mit der sie ihre Sehnsucht aufs Meer, in die weite Welt zieht, zu Beginn. Dann später die Leidenschaft in ihrer Macoco-Nummer - einem der Durchweg großartigen Songs von Cole Porter. Schließlich eine Szene, in der ein herrschaftlicher Salon nur deshalb vollgestellt mit Vasen und allerlei anderen Tand erscheint, damit Garland etwas hat, was sie nach Kelly schmeißen kann.
Toll ist auch die Nummer in der Garlands Piratenphantasie in einem leicht bekleideten Kelly Fleisch wird - pyrotechnischer Mehraufwand inbegriffen.
Schließlich Kellys letzte Performance mit dem reizenden Ratschlag "Be a Clown" - zunächst mit den Nicholas Brothers, dann mit Garland, dem neuen Star in seinem Programm, der mit den übergroßen Clownsklamotten ganz reizend aussieht.
MGM gaben mit The Pirate alles, was sie hatten - und scheiterten kolossal. Der Film wurde ein Flop - der Freude an der entfesselten guten Laune, wie sie typisch ist für das Musical der Vierziger und Fünfziger ist, tut das sicherlich keinen Abbruch.  

Samstag, 3. Januar 2015

Ich will mich nicht künstlich aufregen (Max Linz, Deutschland 2014)

"Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße…" Nur in der ersten Szene regt sich Asta Andersen so richtig auf. Sie liegt da, wälzt sich, rauft ihre roten Haare und wiederholt in einem enervierten und enervierenden Singsang das Wort "Scheiße". Asta (Sarah Ralfs) arbeitet als Kuratorin an einer Ausstellung, die "Das Kino! Das Kunst!" heißen soll. Als sie in einem Radiointerview kritische Thesen vertritt, gehen ihr die Geldgeber flöten. Sich nicht künstlich aufzuregen, eine geradezu stoische Ruhe zu bewahren, scheint Astas Stärke zu sein in ihrer Odyssee durch die Gremien und das Berlin der Gegenwart. Ob bei dem Zusammensein mit einigen Kreuzberger Türken, die sich in der Initiative "I Love Kotti" gegen steigende Mieten engagieren oder beim Warten auf einen indischen Geldgeber.

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