Mittwoch, 16. Oktober 2013

Texas Chainsaw 3D (John Luessenhop, USA 2013)

Das viktorianische Haus in den texanischen backwoods, das in Tobe Hoopers Meisterwerk The Texas Chainsaw Massacre von 1974 einer Gruppe durchreisender Jugendlicher zum blutigen Verhängnis wird, hat - wie Leatherface, wie die Kettensäge - einen festen Platz in der Ikonographie des Horrorfilms.
Wie sich Texas Chainsaw 3D zu Hoopers Original - und (eng mit diesem verbunden) auch der Ikonografie und den gängigen Konventionen des Genres - verhält, kann man gut daran verdeutlichen, wie der Film mit diesem Haus verfährt. Es wird nämlich zu Beginn restlos nieder gebrannt. Allerdings steht später an anderer Stelle ein anderes größeres, luxoriöseres Haus, das aber natürlich ebenfalls seine Tücken hat. Der Akt des Niederreissens und - mit kleinen aber entscheidendnen Änderungen - Neuerrichtens ist bezeichnend für diesen Film.
Der Prolog schließt direkt an die Ereignise von Hoopers Original an. Die den Fängen von Leatherface & Family entkommene Sally hat die Polizei zu dem Haus geschickt. Der schwarze Sheriff, der zuerst dort ankommt, kann nicht verhindern, dass ein unmittelbar nach ihm eintreffender Lynchmob unter Anführung des örtlichen Bürgermeisters das Haus unter Schrotflintenbeschuß nimmt und in Brand setzt. Leatherface kann jedoch entkommen. Die einzige andere Überlebende dieses, nun ja, Texas Redneck Massakers ist die neugeborenen Edith Sawyer, die einer der Dorfbewohner zu sich nimmt und, unter dem Namen Heather Miller, aufzieht, ohne sie von ihrer Herkunft zu unterrichten. Jahrezehnte später bekommt Heather ein Haus von ihrer ihr bis dato unbekannten Großmutter in einem abgelegenen Teil Texas' vererbt. Gemeinsam mit ihrem Freund und zwei anderen Gleichaltrigen macht sie sich auf den Weg, ihre Erbschaft zu begutachten. Dass Heather gut daran getan hätte, den Brief, den ihre Großmutter ihr zusammen mit dem Schlüssel zukommen ließ, zu lesen, um zu wissen, dass das Haus - und namentlich dessen Keller - nicht unbewohnt sind, ist nur ein Problem, mit dem sie sich im folgenden konfrontiert sieht. Ein anderes ist die örtliche Elite, die zu Ende bringen möchte, was sie einst unvollendet ließ: die vollständige Ausrottung des Sawyer-Clans.
Dass Regisseur John Luessenhop und sein Autorenteam back to the roots wollen, sich für alles, was nach 74 kam (namentlich: drei Sequels, ein Prequel, ein Remake - um von den "inoffiziellen" Nachahmern ganz zu schweigen) nicht zu interessieren scheinen, ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass seine Verehrung für Hoopers Film eine ziemlich blasphemische ist. Schon in der title sequence wird das Original direkt zitiert - und dabei zugleich radikal umgewertet. Die in rot getauchten Blitzlichtaufnahmen zeigen hier nicht mehr verstümmelte Leichen, Opfer von Leatherface und den seinen, sondern diese selbst als Opfer der blutdurstigen Rednecks, die stolz etwa ein abgetrenntes Bein oder die Kettensäge wie Trophäen in die Kamera halten. Nach eben diesem Muster funktioniert der ganze Film. Immer wieder spielt er unmittelbar auf Szenen des Originals an - und löst diese dann vollkommen anders, alle Zuschauererwartungen brüsk über den Haufen werfend, auf. Das ist nicht immer gelungen. Wenn etwa die unendlich oft zitierte Szene, in der Leatherface eine Frau durch den Wald verfolgt, hier recht unvermittelt auf einem Rummelplatz endet, wo sich Leatherface mit einem reichlich klein geratenen Doppelgänger seiner selbst mit Schweinsmaske gegenüber sieht, ist das wohl doch eher recht billiger Scream'scher Postmodernismus. Dennoch ist Texas Chainsaw 3D ein Film, der genau weiß, was er mit seinem Stoff vorhat und sein Konzept konsequent verfolgt. Allein dadurch sticht er weit aus der Maße von Sequels und Remakes - nicht nur - in diesem Franchise heraus.
Inszenatorisch erfindet Luessenhop das Rad sicherlich nicht neu und orientiert sich auch hier an dem subtilen Schrecken von Hoopers Original. So sind die Gewaltspitzen zwar recht blutig, bleiben aber (zumindest in der R-Rated-Version, in der nicht so viel fehlt) relativ kurz. Die 3D-Effekte sind angenehm zurückhaltend. Geschickt nach hinten gestaffelte Räume, statt Pop-outs. Die Szenen, in denen die Kettensäge vom Bildschirm aus auf den Zuschauer zukommt oder, zum Wurfgeschoss umfunktioniert, auf ihn zugeflogen kommt, bilden die absolute Ausnahme.
Am Ende, soviel darf man wohl verraten, kommt es nach allerlei Volten zur Familienzusammenführung im Zeichen der Säge. Die Außenseiter vereinen sich und grenzen sich nicht nur gegen die dörfliche Polit- und Polizei-Dynastie ab - wobei kaum zufällig ein Afro-Amerikaner als einziger auf ihrer Seite steht -, sondern, im Falle Heather/Ediths, auch gegen einen reichlich unloyalen 'Freundeskreis'. Schließlich hat sie die beste Freundin zu Beginn nur begleitet, um (erneut) mit ihrem Freund zu vögeln, und ließ sich dieser nur zu gerne verführen. Damit kommt der Film ganz beim Franchise in seinen satirischsten Momenten an. Denn, wie besagte eine alte tagline nicht so schön: "The Saw is family."   

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