Freitag, 6. Dezember 2013

Camal (Miguel Alvear, Ecuador 2000)

Dokumentarische Bilder vom Schlachthof in Quito. In Schwarz-weiß. Dazu ein Stück von Ryuichi Sakamoto, dräuend, sakral. "Salvation" heißt es, doch gerettet wird hier kein Mensch - und schon gar kein Tier. Immer wieder wird durch Türen gefilmt, durch Fenster, Luken, Zäune, Gitter, werden die Bilder so in verschiedene Ebenen gestaffelt. Der Schlachthof als Übergangszone, als Schwelle, als Zwischenreich. Zwischen Leben und Tod. Erde und Hölle. (Einen Himmel gibt es nicht in den fünfzehn Minuten dieses Films. Einmal: die handgehaltene Kamera auf einer Straßenkreuzung, unter Augenhöhe. Menschen, Autos, Chaos, kein Himmel.) Infernalisch jenseitige Bilder für einen eindeutig diesseitigen Ort. Subreal. Detaillierte Schlachtungen. Ein Kind, in Lumpen, verängstigt (vor der Kamera?), neben ihm ein Haufen Stierköpfe. Stierköpfe auf einer Schubkarre. Brennende Tierkadaver. Die letzen Zuckungen von kopflosen Schafskörpern. Die haargenau kadrierten Bilder schneiden auch den Menschen bisweilen die Köpfe ab. Ein kopf- und himmelloser Film. Auch: Kinder, die mit den Schafen, noch mit Köpfen, spielen. Ein Mann auf dem Markt, unter jedem Arm einen Spiegel, in dem Spiegel Spiegelungen der Marktszene um ihn herum. Eine Frau mit Ghettoblaster. Kein Kommentar, keine Kritik, keine Anklage in diesem Film, die sich nicht direkt aus seinen Bildern ergeben würde. Den Bildern, die die Misere von Mensch und Tier, das alltägliche serialisierte Töten zeigen. Der unbedingte Stilwille dieser Bilder, die sich bei Rembrandt und dem deutschen expressionistischen Film nehmen, was sie brauchen, ist ihr großer Clou. Die doch so eindeutig als real erkennbare Welt wird durch sie fremd, entfremdet. Brutale, verstörende Bilder. Bilder vom Schlachthof in Quito. Dokumentarische Bilder, wie nicht von dieser Welt.

  


Gedreht wurde 1991, ursprünglich war eine Dokumentation über die Fleischproduktion in Quito geplant, erst 2000 konnte der Film in der nun vorliegenden Form veröffentlicht werden.
Entdeckt habe ich dieses kleine Meisterwerk des ecuatorianischen Künstlers und Filmemachers Miguel Alvear auf der DVD "Cine al contracorriente", einer Sammlung experimenteller Kurzfilme aus Lateinamerika, veröffentlicht als "Katalog" zu einer Reihe des Centre de Cultura Contemporanía de Barcelona (CCCB). Einen IMDb-Eintrag gibt es bisher nicht. Ist allerdings in Arbeit.

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