Donnerstag, 14. November 2013

For Love of the Game (Sam Raimi, USA 1999)

Billy Chapel (Kevin Costner), alternder Baseball-Star bei den Detroit Tigers, steckt tief in der Krise. Just an dem Tag, an dem er in New York ein entscheidendes Spiel gegen die Yankees zu beschreiten hat, eröffnet ihm der Manager, dass er das Team verkauft hat, und rät ihm zugleich sich nach einer eher mittelmäßigen Saison in Würde zur Ruhe zu setzen, solange er noch kann. Wenig später macht auch noch seine Freundin Jane Aubrey (Kelly Preston) nach fünf Jahren turbulenter Beziehung mit ihm Schluss. Sie hat sich entschlossen, ein Job-Angebot in London anzunehmen. Sein bester Kumpel und langjähriger Team-Kollege Gus Sinsky (John C. Reily) bringt es auf den Punkt: "This ain't your day, Billy."
Gerade der schlimmste Tag seines Lebens jedoch bietet Billy die Möglichkeit, das beste Spiel seines Lebens zu machen - und damit nicht nur sein Team zu retten.
Auf den ersten Blick mag schon der Titel in der Filmographie des Regisseurs sonderbar erscheinen. Sam Raimi, bekannt geworden durch exaltierte Splatter- und Comic-Exzesse, dreht ein Beziehungsdrama mit Baseball und Kevin Costner (oder doch eher: Ein Sportler-Drama mit Liebe und Kelly Preston? Sei's drum.) Bei genauerem Hinsehen jedoch passt dieser Film gleich aus mehreren Gründen in Raimis Oeuvre. Zum Einen stehen die fünf Filme, die Raimi in den Neunzigern gemacht hat, im Zeichen des Experimentierens mit verschiedenen Genres, denen er jeweils einen recht eigenen Stempel aufdrückte. Dann - und viel wichtiger - ist die Geschichte vom Sportler, der gerade an seinem beruflichen und privaten Tiefpunkt über sich selbst hinaus wächst, eine sehr typische Raimi-Geschichte. Raimis ProtagonistInnen finden sich immer in einer radikal veränderten Situation, in der sie nur bestehen können, indem sie über sich selbst hinauswachsen. Von Ash in The Evil Dead bis zu Peter Parker in Spider-Man. Natürlich kann man darin autobiographische Züge Raimis finden, der vom - sicherlich enorm talentierten - Film- und Comic-Freak mit zwanzig zum Blockbuster-Regisseur mit eigener Produktionsfirma mit vierzig wurde. From rags to riches. Der amerikanische Traum. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass Raimi diese Geschichte der Held-Werdung ein ums andere Mal radikal und bissig auf den Kopf gestellt hat. Für Darkman bleibt letztlich nur die Erkenntnis, dass man eine durch Gewalt aus den Fugen geratene Welt nicht durch Rache, also mehr Gewalt, wieder einrenken kann. Auch Hank, der etwas spießige Suburbia-Normalo in A Simple Plan, wird im Verlauf des Films Dinge tun, die er sich zu Beginn nicht einmal träumen ließ: etwa Menschen ermorden und Tatorte manipulieren.
Nur: Dass For Love of the Game ein "echter Raimi" ist, macht den Film leider auch nicht besser.
Doch zunächst zu den Stärken, die es durchaus gibt. Bei der Inszenierung der Spiel-Szenen kann Raimi seinem Stilwillen freien Lauf lassen. Der Lärm des vollen Stadions wird einmal komplett ausgeblendet, um nur die Konzentration auf Kostners Gesicht sichtbar zu machen, über das die Kamera langsam, in Zeitlupe gleitet. Nach dem gelungenen Wurf kehrt die Geräuschkulisse umso tosender zurück. Der Ball zischt so scharf durchs Bild, als wolle er es diagonal zerschneiden und es scheint geradezu logisch, dass Raimi hier überblendet zum Lärm des Flughafens, wo Jane - zunächst widerwillig, dann immer gebannter - das Spiel im Fernsehen verfolgt. Einmal scheint Kostner, in der Rückenansicht vollständig im Bild, vom Hintergrund des Stadions komplett losgelöst, geradezu zu schweben, oder eher: die Tribünen auf ihn zuzukommen. Vielleicht sind solche Bilder, streng affirmativ und nahe an der Ästhetik von Werbe-Clips, tatsächlich die geeignetste Art vom Verhältnis von Individuum und Masse im Star-System des Profi-Sports zu erzählen. Auf jeden Fall sind sie so spannend, dass sie einen gut bei der Stange halten. Was, von mir kommend, der ich allgemein nicht sonderlich sportinteressiert bin, und speziell über Baseball kaum mehr weiß, als dass da jemand nach einem Ball schlägt, den ein anderer geworfen hat, durchaus ein Kompliment ist.
Auch Kevin Costner macht seine Sache streckenweise sehr ordentlich. Wie er, am Abend vor dem Spiel, im luxuriösen Hotel-Zimmer sitzt und auf Jane wartet, die nicht kommt, den Ellenbogen im Sektkühler und die Flasche am Hals, sind gelungene Bilder von einem, der im und am Erfolg gescheitert ist. Vom Klischee des abgewrackten Sportlers, der nicht einsehen will, dass seine Karriere zuende ist, einige entscheidende Nuancen weit entfernt. Jedoch verheddert sich Costner bald dort, wo Kelly Preston von Anfang an hängt - in den Wendungen eines überambitionierten Drehbuchs. Erzählt wird also die Liebesgeschichte zwischen Billy und Jane, in Rückblenden während des Spiels. Dabei wird nichts ausgelassen - weder im Spiel noch in der Liebe. Es gibt Kräche und Versöhnungen, Seitensprünge und Beziehungspausen. Heathers adoleszente Tochter kommt ebenso ins Spiel, wie die Beziehungen zu früheren Team-Kollegen oder Balljungen, die heute als Gegner auf dem Platz stehen. Eine schwere Handverletzung, die er einst erlitt fängt gerade dann an, Billy Schulterprobleme zu bereiten, wenn das Spiel in die entscheidende Phase kommt und er seinen Arm als Werfer am dringendsten braucht. Retten kann schließlich nur noch der Team-Geist - und am Ende applaudieren sogar niedergeschlagene Yankees-Fans.
Das Problem ist nicht so sehr, dass das alles auf den reinen Effekt abzielt, auf großes Gefühl, Spannung und Dramatik, sondern dass der Film beständig so tut, als würden hier große Dinge verhandelt werden. Die kleine Geschichte über eine Beziehung und ein Baseball-Spiel, möchte großes verkünden über den Zustand der Projekte Familie, (heterosexuelle) Liebe und amerikanischer Profi-Sport, den Konflikt zwischen Star-Ruhm und Privatleben, und sicher noch einiges andere - und bleibt dabei ständig im Trivialen. Die unverständliche Lauflänge von fast 140 Minuten scheint da symptomatisch. Schlimm ist also nicht so sehr, dass der Film nichts zu sagen hat, dass er aber in einem fort behauptet, er hätte es, nervt irgendwann gewaltig.
Gut möglich, dass jemand, der mit Raimi die lebenslange Baseball-Leidenschaft gemein hat, For Love of the Game eher als das goutieren kann, was er - der Titel verrät's - sicherlich sein soll: eine große Liebeserklärung an den Sport. Für mich jedoch ist, ironischerweise, gerade Raimis Liebesfilm das, was seine anderen ungleich grelleren, gewalttätigeren, "lauteren" Filme nie waren: Viel Lärm um nichts.  

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