Freitag, 18. Juli 2014

Hard to Handle (Mervyn LeRoy, USA 1933)

"I've got nothing to run away from," sagt James Cagney einmal. Dennoch rennt er in Hard to Handle so viel wie wohl keine andere Hauptfigur in einem Film, außer in solchen, bei denen es explizit ums Rennen geht, etwa The Marathon Man oder Lola rennt (und auch da bin ich mir nicht so sicher). Cagney rennt und rennt und rennt. Und wenn er nicht rennt, dann redet er und redet und redet wie ein Maschinengewehr (und wer wissen möchte, was das bedeutet: "reden wie ein Maschinengewehr", den kann man zur Veranschaulichung eigentlich nur auf James Cagney in diesem Film verweisen).
Geht es in den amerikanischen Film der Zeit oft um verschiedene Wege mit den sozialen Realitäten der großen Depression umzugehen, dann besteht Cagneys Ansatz hier offenbar darin, einfach vor ihr wegzurennen und wo sie ihn doch einholt, zeigt er sich redlich bemüht, sie tot zu quatschen.
Der Film beginnt mit einem Tanzwettbewerb, der damit endet, dass Cagney die Siegerprämie nicht auszahlen kann, weil sein Kompagnon sich mit sämtlichem eingenommenen Geld aus dem Staub gemacht hat. Der Konntest mit den mitleiderregend schweißtropfenden Gesichtern und hängenden Körpern der letzten beiden Paare, die seit 1412 Stunden tanzen, gibt den Ton an. Der Überlebenskampf als Spektakel mit vollem Körpereinsatz, als spielerischer Wettkampf mit dem Elend. In einer großartig rasanten Kamerafahrt rennt Cagney zum ersten mal, um dem wütenden Mob zu entkommen.
Als wesentlich schwieriger stellt es sich heraus, vor seiner Freundin (Ruth Brian) wegzurennen, die den Wettbewerb gewann und sich nun um ihr Geld betrogen sieht. Und vor allem ihrer Mutter (Ruth Donnelly), die unerbittlich darum bemüht ist, ihre Tochter möglichst gewinnbringend zu verheiraten. Dabei springt ihre Gunst so schnell zwischen Cagney und seinem Mitbewerber, einem ziemlich biederen Fotografen, hin und her, wie die rasanten plot points den einen oder den anderen als bessere Partie erscheinen lassen. Sie ist gründlich von jeder Wertvorstellung befreit, die nicht monetärer Natur wäre und darüber hinaus mit einem zynischen Mundwerk ausgestattet, das selbst Cagney Paroli bieten kann.  
In halsbrecherischem Tempo rennt Cagney, um seine Schulden zu begleichen von einem Geschäftsmodell zum nächsten. Überdreht, manisch verkauft er, redend in einem Tempo, dass es einem schwindlig wird, eine obskure Geschäftsidee nach der anderen. Schließlich landet er dabei bei Grapefruit-Farmen, eine Anspielung auf die berühmt-berüchtigte Szene in The Public Enemy, in der Gagney seiner Gespielin eine Grapefruit im Gesicht zerdrückt.
Es ist erstaunlich, wie sehr das Hollywood-Kino dieser Zeit im Angesicht der wirtschaftlichen Not immer wieder die Zusammenhänge von Geld, Macht und Sex thematisiert. So maßlos ins Groteske überzeichnet die Donnelly-Mutter-Figur auch ist, es schimmert doch durch, dass ihre Situation noch prekärer ist, als die der jungen Frauen in anderen Filmen, die - oft sehr buchstäblich - hoch hinaus wollen. Nicht der eigene Körper, sondern der ihrer Tochter wird zur einzigen Möglichkeit, dem Elend zu entkommen, und damit, mehr denn je, zur Ware, die es an den Meistbietenden zu verkaufen gilt. Dass sie, wenn es um die Heirat ihrer Tochter geht, stets im Plural spricht ("wir heiraten") unterstreicht, wie wenig die Tochter noch eigenes Subjekt ist, wobei sich gut ins Bild fügt, dass Ruth Brian in den atemlosen Wortgefechten zwischen Cagney und Donnelly schlicht untergehen muss. Ihre Vorstellung von der Liebe, von Treue, die sie als sie einen Seitensprung Cagneys bemerkt in hysterische Verzweiflung stürzt, erscheint in Hard to Handle nicht als positive Alternative  zu dem - einmal mehr vollkommen unbekümmert zelebrierten - Zynismus, sondern einfach nur noch als heilloser Anachronismus. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen