Neulich als nächtliches Schlaflosigkeits-double feature: Zwei deutsche Filme, die sich, auf denkbar unterschiedliche Weise, mit Beziehungen und Sexualität beschäftigen, in denen auch im letzten Drittel eine Schwangerschaft, auf noch viel unterschiedlichere Weise, eine gewisse Rolle spielt.
Zunächst lassen sich sich jede Menge guter Gründe finden, Das Geheimnis, den ich als zweites gesehen habe, als willkommenes Gegengift zu Der alte Affe Angst, zu betrachten.
Das beginnt schon beim Schauplatz: Roehlers Film spielt in einem Postkarten-Berlin (Alex, Bahnhof Zoo, Potsdamer Platz), das durch kleinere Ausflüge ins Sex-Shop- und Prostitutions-Millieu sowie schlechtes Wetter, eine gewisse Schmuddelnote verliehen bekommt.
Auch Thomes Film beginnt in Berlin, allerdings einem viel persönlicheren Berlin. In einem denkbar intimen establishing shot - übrigens auch der einzigen Einstellung des Films, in der überhaupt etwas von der Stadt zu sehen ist - wird zu Beginn im Hintergrund im letzten Licht der Dämmerung die Kirche am Südstern ins Bild gerückt.
Roehler erzählt das eigentlich zutiefst Banale mit nervenaufreibender Tragik.
Thome erzählte das Unerhörte, später dann auch das Wunderbare mit geradezu unverschämter Leichtigkeit. Der Regisseur hat in Interviews wiederholt betont, dass er das Märchenhafte, das (zumindest in Das Geheimnis dezidiert religiöse) Wunderbare als bewusste Provokation in seine sonst so alltagsgesättigten Filme einbaut. Diese leise Provokation, die darin besteht, ziemlich Heterogenes so mit einander zu verbinden, als ob nichts dabei wäre, ist um einiges effektiver als die Provokationen, die Roehler uns in seinen Filmen Szene für Szene ins Gesicht brüllt.
Bei Roehler haben nackte Körper immer etwas Schmutziges. In der einzigen Szene, in der der Hauptdarsteller André Hennicke voll, frontal und nackt zu sehen ist, ist er beschmiert mit dem Menstruationsblut einer Prostituierten. Sie tragen entweder direkt Insignien des Todes (Marie Bäumers Brüste sieht man ausschließlich in einer Szene, in der sie blutüberströmt in der Badewanne liegt und gerade - mal wieder - versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden) oder werden doch zumindest als absolut hilflos und verletzlich dargestellt (die nackten Männer und Frauen in dem Stück, das Robert, er ist Theater-Regisseur, inszeniert, die in eisig-blaues Licht getaucht auf der Bühne stehen und schreien: "Uns ist kalt, wir haben Angst.") Ähnlich die Darstellung der Sexualität. In der einzigen Szene des Films, in der es Robert gelingt, mit Marie zu schlafen, sind sie sittsam zugedeckt. Die zwei Szenen, die ihn mit Prostituierten zeigen, nehmen hingegen sehr offensichtliche Anleihen bei der Ästhetik handelsüblicher Pornos. Eine reichlich mechanische, ziemlich unentspannte Angelegenheit ist der Sex in diesem Film so oder so.
In Das Geheimnis sitzen gleich zu Beginn zwei Frauen gemeinsam in der Badewanne. Gebadet wird auch im See nur nackt. In einer der schönsten Szenen dieses an schönen Szenen nicht eben armen Films treiben es Lydia und Walter sehr innbrünstig miteinander, wobei es ihnen sichtlich schwer fällt, leise zu sein, um Sarah und Karlheinz nicht zu stören, die im Nebenzimmer sehr verspielt erste Zärtlichkeiten austauschen. (Verspielt sind übrigens auch Robert und Marie mitunter. In den wenigen Szenen, in denen sie sich verstehen (insgesamt vielleicht fünf Minuten), tollen sie auf der Straße, in ihrer Wohnung oder im Bett herum, spielen „Flugzeug“ oder stecken sich gegenseitig den Finger in den Hals. Wo das Spielerische bei Thome jedoch in einer gewissen Einstellung des Erwachsenen gegenüber dem Leben begründet ist, ist es bei Roehler eindeutig ein Eskapismus aus der Erwachsenenwelt, die die Hölle ist. Zudem muss man nicht sonderlich genau hinsehen, um den Sadismus zu erkennen, der diesen Spielen zugrunde liegt, sie sind infantil, aber gewiss nicht „unschuldig“.)
Während Roehlers Figuren von der Tragik ihres verpfuschten Daseins so in Beschlag genommen sind, so viel damit zu tun haben, sich selbst zu bemitleiden oder sich gegenseitig anzuschreien, dass ihnen für derart profane Dinge wie die Nahrungsaufnahme schlicht keine Zeit bliebt, kann für Thomes Figuren keine Beziehungskonstellation so skurril, kein Vorkommnis so sonderbar sein, dass es sie davon abhalten würde, erstmal festlich gemeinsam zu speisen.
Dass ich Der alte Affe Angst, trotz allem, - für diesen Film ein irgendwie unpassendes Wort - mochte, liegt vor allem an seinem nun wirklich sonderbaren Ende. Dieses Happy End erinnert etwas, an die, die Hollywood-Studios früher gerne ihren Regisseuren zur Bedingung machten, und stellt sich doch als kluge künstlerische Entscheidung heraus. Es verleiht dem gesamten bis hierhin doch so überdeutlichen Geschehen des Films schwer auflösbare Ambivalenzen, vor allem im Hinblick auf die Frage, wie sich der bisherige Verlauf der Geschichte zu diesem Ende verhält. Ist es blanker Sarkasmus oder stellen die bisherigen Ereignisse eine Art Katharsis für das Paar dar? Oder fallen hier Sarkasmus und Katharsis in eins, weil im Verlauf des Films doch deutlich wird, dass es zwischen diesen beiden Menschen gar nichts gibt, was bereinigt werden könnte? Ist das nur als Kommentar auf eine gewisse Genre-Konvention zu verstehen oder doch auf den gegenwärtigen Stand des Projekts heterosexuelle monogame Paarbeziehung?
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