Gestern ein freudiges Wiedersehen mit Sam Raimis The Evil Dead. Statt einer Kritik eine ganz private Rezeptionsgeschichte dieses und einiger anderer kanonischer Splatter-Filme, die nebenbei auch einen kleinen sehr subjektiven Einblick in deutsche Zensur- und Veröffentlichungs-Politik gewährleistet.
Etwa 1993 erwarb ich auf dem Flohmarkt am Fehrbelliner Platz eine englische VHS-Kassette mit dem Titel The Evil Dead. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mir damals im Klaren darüber war, dass sich hinter diesem Titel der berüchtigte Tanz der Teufel verbarg, der für reichlich Gesprächsstoff auf dem Schulhof sorgte - nicht zuletzt weil er, wie die beiden anderen Filme, um die es in diesem Text gehen wird, damals in Deutschland verboten war - und übrigens bis heute ist. Gut möglich, dass mich lediglich das, nun ja, wahrlich schauerliche Cover und vor allem natürlich die Altersfreigabe, die weiße 18 im roten Kreis, zum Kauf animierten. Jedenfalls sah ich den Film nun mehrmals, meist nachmittags, wenn meine Mutter noch auf der Arbeit war, mit Freunden oder alleine. Die Bedingungen dieser heimlichen Sichtungen waren alles andere als optimal. Schon alleine aus Unwissenheit störte mich nicht, dass das Tape, wie ich erst viel später, zu OFDB-Zeiten nämlich, erfuhr, geschnitten und außerdem im falschen Bildformat war. Allerdings reichten meine Englischkenntnisse damals kaum aus, um mir einen Film im Original anzusehen - und sei er auch so wenig dialoglastig wie dieser - dazu kam noch, dass der elterliche Fernseher so gegenüber dem Fenster stand, dass es die Lichtverhältnisse kaum zuließen tagsüber überhaupt fernzusehen, geschweige denn einen so "düsteren" Film wie The Evil Dead. Doch all das tat meiner Faszination keinen Abbruch. Jedes Mal aufs Neue erschrak ich mich (wie gestern übrigens auch), wenn die Hand durch den Holzfußboden bricht, um nach Ash zu greifen. Das fröhlich comicartige Gemetzel ekelte und faszinierte mich in etwa gleichen Teilen - immer wieder.
Es war wohl etwa zur gleichen Zeit, als ich von meinem Schulfreund Basti von einem anderen Film hörte, der ebenso schon aufgrund des Verbots eine geradezu magische Anziehungskraft auf mich ausübte - dass verbotene Früchte am besten schmecken, gilt wohl im besonderen Maße für 13-jährige Jungs. Zombies im Kaufhaus (welch debiler und dann doch wieder, in seinen gesellschaftskritischen Untertönen, die mir damals natürlich gänzlich entgingen, wieder ungemein passender Titel übrigens) sollte "der brutalste Film aller Zeiten" sein, wobei besonders eine Szene hervorgehoben wurde, in der ein Kopf durch einen Schuss mit der Schrotflinte förmlich zerplatzte. Es dauerte einige Jahre, ich war schon Anfang zwanzig, bis ich diesen Film endlich zu sehen bekam. Gemeinsam mit Basti machte ich mich auf die zermürbende Suche nach einer ungeschnittenen Version des Films, der damals erstmals in einer um sämtliche Splatter-Szenen erleichterten "überarbeiteten Langfassung" wieder freigegeben wurde. Nachdem uns der Verkäufer im Videodrome-Shop grinsend mit der Bemerkung abgespeist hatte: "Toller Film, dürfen wir aber leider nicht verkaufen", entdeckte ich schließlich eine Internet-Seite, auf der man den Film im "Ultimate Final Cut" erstehen konnte.
Mehr noch als The Evil Dead ist Dawn of the Dead, den ich in den letzten 12 Jahren was weiß ich wie oft gesehen habe, zu einem meiner Lieblingsfilme geworden. Ein Film, der mit den Jahren immer besser wurde - und zwar in doppelter Hinsicht. Einerseits verschoben sich von Sichtung zu Sichtung die Schwerpunkte ein wenig, fielen mir andere Aspekte besonders - positiv! - auf. Mal hielt ich die Stürmung des Gebäudes zu Beginn schlicht für die beste Action-Szene der Filmgeschichte, dann konzentrierte ich mich vor allem auf die komödiantischen Einlagen in der zweiten Hälfte (der gemeinsame "Einkauf", das Poker-Spiel), schließlich begeisterte mich vor allem einige Szenen vor dem Showdown, die sehr exakt die Entfremdung und Langeweile der Figuren einfangen, die eintritt, sobald sie sich einigermaßen in Sicherheit wiegen, es sich in ihrer abgeschotteten schönen bunten Warenwelt gemütlich gemacht haben. (Bin ich eigentlich der einzige, der bei diesen genau kadrierten Einstellungen, die Menschen in ebenso stilvollen wie sterilen Dekors zeigen, irgendwie an Fassbinder denken muss?)
Andererseits ist da die wahrlich unübersichtliche Veröffentlichungsgeschichte des Films, von dem es alleine drei offizielle unzensierte Fassungen gibt (den kürzeren "Argento-Cut", den längeren "Romero-Cut" sowie einen "Extended Cut"). Die Zahl inoffizieller oder durch Zensureingriffe veränderter Versionen ist so wie so Legion. Ein Segen ist diese Vielzahl der Fassungen, weil sie den Film eben ganz buchstäblich immer besser werden lässt. Der "Ultimate Final Cut", also meine erste Begegnung mit diesem Meisterwerk, ist von Fans aus verschiedenen Mastern von sehr unterschiedlicher Qualität relativ stümperhaft zusammengecuttet. Zu allem Überfluss bietet die DVD den Film nur in einer miserablen deutschen Synchronisation (Basti, der zwischenzeitig einige Jahre in L. A. gelebt hatte, amüsierte sich etwa prächtig darüber, dass man "no shit" mit "nein, Scheiße" übersetzt hatte). Welche Genugtuung dann später den Film im englischen Original, in einer offiziellen Version und in dem Medium DVD angemessener Bildqualität zu sehen. Gleichzeitig ist diese Vielfalt ein Fluch, weil sie es umso schwieriger macht, die für sich perfekte Version des Films zu finden. Sind die längeren Fassungen tendenziell eher etwas zu lang, fehlt bei kürzeren, gerade in der zweiten Hälfte, oft Liebgewonnenes. Die verschiedenen Soundtracks verkomplizieren die Sache zusätzlich. Eine "Special Edition", die dem Fassungs-Wirrwarr zumindest halbwegs gerecht werden würde, gibt es leider, zumindest im deutschsprachigen Raum, bis heute nicht.
Kommen wir als letztes zu einem Film, den ich, anders als die beiden zuvor genannten, schon mit etwa fünfzehn zumindest unter dem richtigen Titel kennenlernte: Braindead von Peter Jackson (der skurrile deutsche Untertitel "Der Zombie-Rasenmähermann" war mir damals wohl vollkommen entgangen). Ich weiß noch wie ich den Film an meinem fünfzehnten oder sechzehnten Geburtstag mit einigen Freunden im tripple feature mit Pulp Fiction und Boyz N the Hood sah. Leider waren diese Freunde damals wesentlich weniger splatteraffin als ich, so dass sie den Film, abgesehen von der Baby-Verfolgungsjagd, deren Humor sie immerhin zu würdigen wussten, ziemlich scheiße fanden. Ich erinnere mich, wie sehr mir dieser unisone Affront gegen meinen ausgefallenen Filmgeschmack in Verbindung mit dem Ende von Boyz, der mich an diesem Tag mitnahm wie selten ein Film vor- oder nachher, aufs freilich sehr stark geburtstäglich bekiffte Gemüt schlug. Einige Jahre später dann, zwischenzeitig hatte ich auch hier aus dubiosen Internet-Quellen eine vollkommen ungeschnittene DVD des Films aufgetrieben, die nun im heimischen Player in Dauerrotation lief, sah ich den Film dann nochmals in größerer Runde. Diesmal wurde der Streifen, in dem eine Zombie-Party mit dem Rasenmäher und den legendären Worten "Party's over" beendet wird, als der Party-Kracher gewürdigt, der er ist. Hierzu noch ein Gedanke am Rande: So bedauerlich die Praxis der Film-Zensur in Deutschland, bei der unter dem Deckmantel des Jugendschutzes auch und vor allem Erwachsenen vorgeschrieben wird, was sie sich anzusehen haben, auch ist, gerade durch sie war es dann eben doch wieder besonders faszinierend, einen Film das erste Mal uncut zu sehen, der Aha-Effekt, was in der vorherigen Version so alles fehlte. Braindead war schon in der geschnittenen VHS-Version so ziemlich das blutigste, was ich mir damals nur vorstellen konnte, wie lang gerade die "Rassenmäher"-Szene dann aber eigentlich wirklich ist, dass ließ mich dann doch mit offenem Mund zurück.
Von The Evil Dead übrigens habe ich mir, um den Bogen zum Anfang zu schlagen, auf der letzten DVD-Börse für kleines Geld eine italienische Blu-ray gekauft. Absolut begeistert war ich nicht nur vom Film selbst, sondern vor allem auch davon, ihn erstmals in HD zu sehen. Ich musste mich anfangs bei dem tracking-shot durch den Wald und über den See, erst einmal daran gewöhnen, wie detailreich dieses Bild im Vergleich zu früheren Sichtungen ist. So konnte ich die großartige Kameraführung, die wunderbaren handgemachten Effekte und die liebevolle Ausstattung in neuem Maße genießen.
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