Sonntag, 16. Juni 2013

Witchfinder General (Michael Reeves, UK 1968)


England im Jahre 1645. Zur Zeit des Bürgerkriegs reist Matthew Hopkins, der „Witchfinder General“ (Vincent Price), mit seinem Gehilfen John Stearne (Robert Russell) durchs Land. In jedem Dorf, das sie durchqueren, beschuldigen sie Bewohner der Hexerei, erzwingen durch Folter Geständnisse und richten sie dann hin. Unter ihren Opfern befindet sich auch der Priester John Lowes, der seine schöne Nichte Sara kurz zuvor dem jungen Soldaten Richard Marshall zur Frau versprochen hat. Indem sie sich Hopkins sexuell anbietet, rettet Sara das Leben ihres Onkels nur vorübergehend. Schließlich wird er von den Inquisitoren getötet und sie von Stearne vergewaltigt. Als Richard zu Sara zurückkehrt und von den grausamen Machenschaften erfährt, sinnt er auf Rache.

Der Kultstatus von Witchfinder General liegt wohl nicht zuletzt in der tragischen Geschichte seines Regisseurs begründet. Reeves bis dato erfolgreichster und bis heute bekanntester Film war gleichzeitig sein letzter, weil der an Depressionen leidende 25-jährige 1969 an einer Überdosis Barbiturate starb. Er löste eine Welle von Hexenjäger- oder Inquisitions-Filmen aus, von denen vor allem Hexen bis aufs Blut gequält von 1970 mit Herbert Lom und Udo Kier sich unter gorehounds bis heute einiger Beliebtheit erfreut. Wurde der Film bei seinem Erscheinen - nicht nur - in England wegen seiner für die Zeit exzessiven Gewaltdarstellungen kontrovers diskutiert, nehmen sich gerade die Folterszenen aus heutiger Sicht im Vergleich zu seinen Nacheiferern – von besagten thematisch verwandten Filmen der späten Sechziger und frühen Siebziger bis zum torture porn jüngeren Datums – beinahe zahm aus. Das Verstörende an diesem Film, was gleichzeitig seinen dann doch beträchtlichen Reiz ausmacht, war für mich beim geradigen Wiedersehen die offensichtliche Diskrepanz zwischen Form und Inhalt. Dieser exploitation movie führt Episches im Schilde. Das Gemälde wahrlich finsterer Zeiten ist in sonderbar hellen warmen Farben gemalt.  Immer wieder bricht gleißendes Sonnenlicht durch die Baumkronen, leuchtet die Landschaft in der Abenddämmerung in herbstlichen Rot- und Brauntönen. Weiche Überblenden beherrschen die Montage. Jedoch will Reeves nicht auf einfache Dichotomien hinaus. Es geht ihm nicht darum, etwa die Schönheit der Natur mit dem „hässlichen“ Treiben der Menschen zu kontrastieren. Vielmehr entsteht ein weiterer Kontrast durch die Sauberkeit der Menschen, ihrer Kleidung und ihrer Gesichter, und ihrer Lebenswelt, den blitzblanken, teilweise beinahe prunkvollen Fachwerkfassaden, den rustikalen, aber nie ärmlichen Interieurs,  zu ihren „schmutzigen“ Taten. Noch Robert Russells sadistischstes Lachen gibt den Blick auf schneeweiße Zähne frei. Hierdurch führt Reeves auch seinen naturalistischen Anspruch ad absurdum. Wo der Film gerade am Anfang durch die nüchterne Darstellung der grausamen Rituale der Inquisition und den Voice Over, der die Geschehnisse genau in einem historischen Kontext verortet – wie akkurat dieser und die historischen Figur Matthew Hopkins nun ausfällt, sei einfach mal dahingestellt – geradezu „dokumentarische“ Züge aufweist, ist man doch wenig gewillt, sich das England des siebzehnten Jahrhunderts so „sauber“ vorzustellen. Das Ende des Films hat keinerlei Interesse daran, diese rätselhaften Widersprüche aufzuheben, ganz im Gegenteil, es treibt sie noch weiter auf die Spitze, indem es die bis hierher – mehr oder minder – aufrechterhaltene schematische Trennung von Gut und Böse vollständig verwischt.

Bemerkenswert ist außerdem die Darstellung der Titel-Figur durch Vincent Price. Vergleicht man sie mit der Robert Russells, der  Stearne als groben Gewaltproleten spielt, dem sein Sadismus, seine schiere Freude an der (sexualisierten) Gewalt Szene für Szene ins Gesicht geschrieben steht, ist die gefühlslose Präzision, mit der Hopkins jede seiner Handlungen in den genau durchdachten Dienst seines eigenen Vorteils stellt, wesentlich erschreckender und unheimlicher. Die Probleme, die ich dennoch mit diesem Film habe, betreffen vielmehr allgemein die Darstellung der Verbrechen der Inquisition im Exploitationfilm. Es geht weder um ideologiekritische Fragen noch um solche des „Geschmacks“, ich denke vielmehr, dass das gängige b-movie- Menschenbild den Weg zu einer Auseinandersetzung mit den Gräueln religiösen Fundamentalismus eher verstellt als befördert. Für das Exploitation-Kino lässt sich einigermaßen verallgemeinern, was Jacques Rivette als die „Philosophie“ der Filme Paul Verhoevens bezeichnete: Sie „handeln vom Überleben in einer Welt, die von Arschlöchern bevölkert ist.  Die Darstellung der Hexenjäger als Menschen die ihre, nicht von Gott, sondern von der weltlichen Institution der Kirche gegebene Macht ebenso unverhohlen wie scham - und hemmungslos zur Erfüllung eigener sexueller und finanzieller Interessen ausnützen, als Arschlöcher eben, unterminiert letztlich die wesentlich finstere Vorstellung, dass sie tatsächlich aus Überzeugung handelten. Dass sie glaubten Gutes zu tun, indem sie willkürlich folterten und mordeten.

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