Mittwoch, 15. Januar 2014

The Enforcer (James Fargo, USA 1976)

Der dritte Dirty Harry-Film beginnt durchaus vielversprechend. Von Anfang an: ein Film der keine Gefangenen macht. Aufreißende Körper und platzende Flaschen, Blut und Bier spritzen durch die Gegend, vermengen sich. Ein Männerarsch in Levi's, am Gürtel das Messer mit Schlagring.    Durchaus geschickt kadriert und montiert. Schön ist etwa, wie wir den Killer zunächst bedrohlich im Bildhintergrund sehen, dann wird in statischen Einstellungen immer näher auf ihn ran geschnitten bis in die "Italienische", die nur seine Augenpartie zeigt. Überhaupt: eindeutig amerikanisch (auch und vor allem in einer spezifischen abstrusen Idee - gewalttätiger - Männlichkeit), aber auch mit einem gewissen Italo-Touch. Ins deutlich Campige überzeichnetes Testosteron-Kino. Edel-Trash.
Es wäre falsch zu sagen, dass der folgende Film nicht einhält, was seine pre title sequence verspricht. Sex, Gewalt und ein ebenso reaktionärer wie alberner Gender-Diksurs, all das, worum es im weiteren gehen wird, findet sich schon hier - und auch schon hier ist nicht so ganz klar, wie ernst man es nun nehmen soll. Wie der Film das macht jedoch, ist grundfalsch.
In einem - erstaunlich gelungenen - Blu-ray-featurette zu den politischen Implikationen des Dirty Harry-Franchise sagte einer der Interviewten, dass Harry Callahan es in seinen Filmen abwechselnd mit "rechten" und "linken" Gegenspielern zu tun bekomme. Nach dem hippie'esken Serien-Killer im ersten Teil, mit einer faschistoiden Vereinigung killender Cops im zweiten. Gerade das machte den Vorgänger zu The Enforcer, Magnum Force (1973), den ich vor einigen Monaten wiedersah, zu einem faszinierenden Film. Er entlarvte den Diskurs des Selbsjustiz-Thrillers auf bezeichnende Weise - ob er das absichtlich tut oder nicht, spielt dabei gar keine so große Rolle. Dass der Polizist, der nach eigenem Gutdünken Menschen tötet, sich unterscheidet von seinen Antagonisten, Polizisten, die nach eigenem Gutdünken Menschen töten, bleibt hier eine vollmundige Behauptung der Hauptfigur. Großartig war auch, wie der Film seine Schurken in Uniform inszeniert, eine anoyme gesichtslose Bedrohung. Großaufnahmen von Sonnenbrillen, Motorradhelmen, Lederstiefeln. Das immer schon - mehr oder weniger latent - Fetisch-Hafte des Genre-Films wurde nicht nur konsequent an die Oberfläche gekehrt, sondern auch mit einer ziemlich dezidiert faschistischen Ästhetik kurz geschlossen.
Hier also sind die Gegner nun wieder "links", Karikaturen von Terroristen, die sich "The Revolutionary Strike Force" nennen, denen es aber ausschließlich ums Geld geht. Der Diskurs des Films zum Umgang mit ihnen ist einfach: Wir verhandeln nicht mit Terroristen, wir knallen sie ab, sonst denken sie nämlich, sie könnten machen, was sie wollen. (Georg Seeßlen führt Dirty Harry gerne an als Beispiel eines Filmes, der keinewegs so rechts ist, wie sein Protagonist. Das mag für den ersten Teil stimmen und - auf ganz andere Weise - auch für den zweiten. In The Enforcer kann ich hingegen nicht erkennen, dass sich das Weltbild des Films von dem seiner Hauptfigur unterscheiden würde.) 
Wesentlich interessanter erscheint mir der Geschlechter-Diskurs. Um bei den nächsten Wahlen gut dazustehen, setzt sich der amtierende Bürgermeister von San Francisco für mehr Frauen bei der Polizei ein. So kommt auch Harry, der, muss man's erwähnen, von der Idee gar nichts hält, zu seiner ersten Partnerin. Die, gespielt von Tyne Daly, tut erst mal eine halbe Stunde lang alles, um zu beweisen, dass sie für die Aufgabe denkbar ungeeignet ist. Schließlich bekommt sie aber einmal doch für ihre Ermittlungen ein Lob vom Partner, rettet ihm sogar per Schusswaffe den Arsch, nur um dann ins Maschinengewehrfeuer zu rennen. Was uns das sagen soll? Wahrscheinlich, dass die wahren Feinde der Frauen, gewissenlose Linkspopulisten sind, die sie, nach Wählerinnenstimmen heischend, in Berufe stecken, für die sie nicht geeignet sind.
Übrigens sieht man The Enforcer auch durchaus an, dass er im "goldenen Zeitalter" des amerikanischen Pornos entstanden ist. Es gibt Prostituierte, Gummipuppen und bei einer - durchaus ansehnlichen - Verfolgungsjagd über die Dächer von San Francisco purzeln zuerst der Flüchtige, dann Callahan ins Set eines Porno-Dreh.
Das Schlimmste an dem Film ist gar nicht mal, dass er nur noch tumbes Fascho-Kino ist, dem die ideologische Zerrissenheit der Vorgänger gründlich abgeht, sondern dass er sich mit plumper Ironie aus dem Schneider zu ziehen versucht. Ein Film also, der den reaktionären Unfug, den er verzapft, nicht nur in keinster Weise relativiert, sondern dem in letzter Instanz sogar der Mut fehlt, zu ihm zu stehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen