Montag, 13. Januar 2014

Movie of the Week 10: Stars in my Crown (Jacques Tourneur, USA 1950)

 
Die Tradition meines "Movie of the Week" ist im Dezember etwas eingeschlafen. Diese wieder aufzugreifen scheint mir ein schöner - und durchführbarer - Vorsatz fürs neue Jahr. Ich wüsste nicht, mit welchem Film ich das lieber täte, als mit Stars in my Crown, vielleicht der wunderbarste unter den wunderbaren Tourneur-Western, die ich in letzter Zeit gesehen habe.
Zu Beginn führt uns ein Voice-Over durch Walsburg, ein Städtchen in Tennessee, in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Nostalgisch verklärt die Stimme aus dem Off den Schauplatz des Films als eine - ganz persönliche - goldene Stadt der Kindheit. Hier wächst der junge John (Dean Stockwell) bei seinem Onkel Gray, dem örtlichen Pfarrer (Joel McCrea), und dessen Frau Harriett (Ellen Drew) auf. Die eigentliche Hauptfigur des Films ist jedoch Walsburg selbst.
Zwei zentrale Konflikte werden eingeführt - allerdings erst nach und nach, ganz langsam. Zum einen ist da Uncle Famous (Juano Hernandez), ein Schwarzer mit einem kleinen Stück Land, das für einen örtlichen Minenbaron von großem Interesse ist, wegen der Mineralien, die sich im Boden befinden. Als sich Famous weigert, zu verkaufen, rückt ihm der Minenbesitzer und seine berittene Meute immer unerbittlicher auf den Leib. (Es geht dabei, wohl gemerkt, nicht um Rassismus. Auch wenn die Männer am Ende einen Lynchmob in weißen Kapuzen mit brennendem Kreuz und Schlinge formieren, gibt es keine Anspielungen auf die Hautfarbe des Farmers. Der Film macht sichtbar, dass hier, wie in allen kolonialistischen Projekten - und was ist diese Art der gewaltsamen Landnahme sonst? - hinter dem Rassismus Profitinteressen stehen.) Zum zweiten ist da der Konflikt zwischen Gray und dem örtlichen Arzt (also Religion vs. Wissenschaft). Jedoch tritt alles offensichtlich Allegorische hinter der Lust am Erzählen, am Erschaffen eines fiktiven Ortes zurück. Auch ist die Dramaturgie so geschickt, dass man sie kaum bemerkt. Diese zwei Handlungsstränge werden so entwickelt, eine Zeit lang ruhen gelassen und wieder aufgegriffen, dass sie eben das Gefühl aufrecht erhalten, es ginge um die Entwicklung eines Ortes, nicht eines Plots.
In Stars in my Crown zeigt Tourneur seine ganze Meisterschaft, dass er nicht nur wie gerne behauptet wird, ein Hollywood-Routinier war, sondern einer, der, mit den Worten Frieda Grafes, "in Hollywood alle Genres durchgemacht und auch beherrscht [hat]. Mit kleinen französischen Glanzlichtern."
Kleine inszenatorische Glanzlichter sind auch die Szenen, die diesen Film so unvergesslich machen.
Da ist die Verwüstung der Hütte und der Felder von Uncle Famous. Die schnell hintereinander geschnittenen Einstellungen von den Berittenen als dunkle Schatten auf dem Feld, von den alles zertrampelnden Beinen der Pferde. Montage, Kadrierungen und Musik verbinden sich perfekt zu einer höchstmöglichen Dramatik.


Da ist der Zauberer, der mit seiner Show nach Walsburg kommt (übrigens mit als Indianer verkleideten Schwarzen auf der Bühne.) Wenn die Kamera über die strahlenden verzückten Gesichter seines jungen Publikums wandert, sind das, neben denen in Por primera vez, die schönsten derartigen Aufnahmen, die ich kenne.
Da ist der schwedische Farmer, ein Freund Grays, der eine ganze Schar großgewachsener strohblonder Söhne hat, die in einer Einstellung, in der sie sich alle um ihren Vater versammeln, den Bildkader fast zu sprengen scheinen. (Mindestens genau so grandios ist eine Einstellung später, in der er sie, einen nach dem anderen per Namen aus dem Bild kommandiert.)


Schließlich ist da die Auflösung, die auf großes Versöhnungs-Pathos setzt. Auch wenn der Film ehrlich genug ist, das religiöse Befriedungsprojekt des Pfarrers durch bewaffnete Männer, die sich im Hintergrund halten, abzusichern, reicht doch der Appell ans Gewissen, um einen entfesselten Lynchmob von seinem mörderischen Vorhaben abzuhalten. Natürlich ist das ziemlich naiv, aber es ist eben die Art von Naivität, die das populäre Kino in´seinen schönsten Momenten auszeichnet.
(Die ihm allerdings in den letzten Jahrzehnten relativ gründlich abhanden gekommen zu sein scheint.)

Ach, und schließlich ist auch toll, dass es nicht, wie Poster und Tagline suggerieren, um einen Pfarrer geht, der das Wort Gottes mit schwerer Artillerie predigt. Ein einziges Mal zieht McCrea zu Beginn seine Revolver, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, aber ohne zu schießen. In keiner der späteren Szene trägt er sie überhaupt.

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