Freitag, 12. Juli 2013

Curdled (Reb Braddock, USA 1996)

Curdled sah ich zum ersten Mal, als der Film relativ neu - und natürlich damals noch auf VHS - in den Videotheken-Regalen stand. Ich nehme an, dass der Film mir damals - als ca. siebzehnjährigem Tarantino-Fanboy - relativ gut gefallen hat. Die grundlegendste Erkenntnis nach dem, so weit ich mich erinnere, ersten Widersehen nach ca. fünfzehn Jahren, ließe sich vielleicht so zusammenfassen, dass ich keine Siebzehn mehr bin. (Tarantino verehre ich zwar immer noch, es kann aber gut sein, dass ich Django Unchained nicht zuletzt deshalb für seinen schwächsten Film bisher halte, weil eben die Fanboy-Perspektive einfach nicht mehr funktionieren will.)
Immerhin ergab meine flüchtige Internet-Recherche zu dem Film, einiges Neues, nämlich, dass die Bezüge zwischen Curdled und Pulp Fiction komplexer und vor allem wechselseitiger sind, als ich bisher wusste.
Hier also die ganze "Legende", wie man sie etwa bei Roger Ebert nachlesen kann: Als Quentin Tarantino Anfang der Neunziger mit seinem Debüt Reservoir Dogs durch die Festivals tourte, sah er einen Kurzfilm, ReB Braddocks Curdled, in dem eine Frau, Gabriela, seit ihrer Kindheit in Kolumbien fasziniert vom Morbiden und Makaberen, in Miami einen Job bei einer Reinigungsfirma antritt, die sich darauf spezialisiert hat, die Spuren blutiger Gewaltverbrechen zu beseitigen und dabei auf die Spur eines Serien-Killers kommt. Die Idee des post murder cleaning service faszinierte Tarantino so sehr, dass er sie, in Gestalt des von Harvey Keitel gespielten Mr. Wolf, in seinen nächsten Film Pulp Fiction einbaute. Außerdem gab er auch Angela Jones, der Hauptdarstellerin von Curdled eine kurze Rolle als Taxi-Fahrerin Esmeralda Villalobos, die mit Gabriela neben der kolumbianischen Herkunft auch die Faszination am Morbiden teilt. Vermeintlich, um sich bei Braddock für die Inspiration zu bedanken, produzierte Tarantino später, nach dem Erfolg von Pulp Fiction, eine Langversion von Curdled.
Den Kurzfilm von 1991, von dessen Existenz ich bis vor kurzem nicht mal wusste, würde ich durchaus gerne einmal sehen. Den Langfilm von 1996 hingegen machen diese Informationen auch nicht interessanter.
Allzu viel sollte man von dem Film schon wegen Prämisse und Vorgeschichte nicht erwarten. Die Nonchalance mit der sich Braddock für den Putzfrau-jagt-Serienkiller-Plot und seine denkbaren Volten und Verwicklungen nicht interessiert fand ich eigentlich noch recht sympathisch. Schnell läuft alles auf den Show-Down, die finale Begegnung als, zunächst alleine, dann zu zweit getanztem Crime Scene Reenactment hinaus. Das ist auf recht charmante Weise makaber und durchaus gekonnt inszeniert und choreographiert.


Am Ende also bekennt sich der Film durchaus zur dem Projekt innewohnenden Kleinheit. Problem ist nur, dass die ersten zwei Drittel wesentlich mehr versprechen, als dieses Finale hält, dass der Film als Ganzer dadurch ziemlich unangenehm aufgeplustert wirkt. Falsch daran ist also nicht mal unbedingt, dass der Film letztlich nichts zu sagen hat, sondern dass er beständig so tut, als hätte er es. So scheint er zunächst durchaus einige Fragen aufwerfen zu wollen, zum Zustand der amerikanischen Gesellschaft seiner Gegenwart und dazu, was seine Figuren in dieser Gegenwart bedeuten: Warum wird der dreckigste Scheißjob, den man sich vorstellen kann -auch wenn Gabriela das freilich anders sieht - ausschließlich von Frauen lateinamerikanischer, asiatischer oder afrikanischer Abstammung ausgeführt? Ist die unverhohlene Faszination, mit der Gabriela ihrer Tätigkeit nachgeht wirklich so viel ungesünder als der Profesionalismus mit der ihre - schnell reichlich ennervierte - Arbeitskollegin Elena sie verrichtet, für die es eben um nichts als einen Putzjob geht? Was hat es mit dem Infantilen von Gabrielas Faszination auf sich? (Elena beschwert sich ihrem Chef gegenüber, sie sei "wie ein Kind" und tatsächlich spielt Jones die Figur so, dass man das etwas unheimliche Gefühl bekommt, einer erwachsenen Frau zu zusehen, die die Welt als einen einzigen großen Spielplatz ansieht.) Wie verhält es sich mit ihrem Antagonisten, dem Blue Blood Killer (William Baldwin), der es auf wohlhabende Frauen abgesehen hat? Verkörpern Protagonistin und Antagonist letztlich zwei Seiten derselben regressiven Medaillie? Während sie mit der Grausamkeit ihrer Realität umgeht, indem sie konsequent im Infantilen verharrt, versucht er im Rahmen einer phallischen männlichen (proletarischen?) Ermächtigungsphantasie eine alte (Geschlechter-)Ordnung wiederherzustellen? Die Art, wie der Film schließlich nicht einmal versucht, diese Fragen zu beantworten hat nichts mit gewollter Ambivalenz, aber alles mit Konzeptlosigkeit zu tun. Die einzige Antwort, die er letztlich gibt, betrifft eine makabere Neugier Gabrielas.
Worum es ihm wirklich geht verdeutlicht sich, wenn man die sicherlich mehr gewollte als gekonnte Medien-Satire betrachtet. Der Werbespot für die Tatort-Reinigungsfirma, durch den Gabriela auf ihren Job aufmerksam wird, und eine reißerisched Reality-TV-Show über den Blue Blood Killer haben mich an die amerikanischen Filme Paul Verhoevens erinnert. Wo es aber dem großen High Budget-Exploitation-Satiriker Verhoeven darum geht, eine gegebene Realität - und sei es auch nur die des Fernsehens - durch Überzeichnung zur Kenntlichkeit zu entstellen, ist dieser Zynimsus, genau wie alles andere, in Curdled bloß filmgeschichtlicher Verweis. Ein Detail aus besagtem Reality-TV-Format belegt dies: In der Sendung werden auch die Gecko-Brüder erwähnt, die eine Blutspur durch Texas zogen - im Rodriguez/Tarantino-Film From Dusk Till Dawn. Die Kritik ist letztlich bloße Fassade für die Art von Wiedererkennungwerten, die ein jedes Nerd-Herz höher schlagen lassen. Was man Tarantino immer wieder - vollkommen zu Unrecht! - vorgeworfen hat, trifft auf Braddock zu: Er verweist auf nichts, außer das Kino.
Mit der finalen Pointe entlarvt sich der Film endgültig als auf abendfüllende Länge aufgeblähten Witz für Tarantino-Fanboys mit makaberem Sinn für Humor. Wenn man keine Siebzehn mehr ist, ist das dann doch ein bisschen sehr wenig.

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