Dienstag, 31. Dezember 2013

Peckinpah-Notizen 4: The Ballad of Cable Hogue (1970)

 
Tomorrow is the song I sing
Yesterday don’t mean a thing
 
Zukunftsmusik. Für einen alternden Peckinpah-Westerner wie Cable Hogue (Jason Robards) kann das nur heißen: ein Requiem.
 
  Tomorrow is the song I sing
Tomorrow ragmen can be kings
‘Cause sometimes kings may ragmen be
If it
can happen to a king, it can happen to me
 
So ergeht es Hogue, der am Anfang von seine Kompanions ausgeraubt und in der Wüste zurückgelassen wird, um zu verdursten. Er findet Wasser, wo es keines gab. Um aber zum König von Cable Springs zu werden, gilt es in der nächsten Stadt, die auf den schönen Namen Deaddog hört, einigen Papierkram zu regeln. Hier lernt Cable Hildy (Stella Stevens) kennen. Eine kleine Prostituierte eigentlich, aber dennoch larger than life. Alles an Hildy ist groß: Ihr Temprament, ihr Herz und - vor allem - ihre Brüsten, für die Cable - wie die Kamera - sofort eine Russ Meyer'sche Obsession entwickelt. Groß sind auch ihre Träume vom großen Leben in der großen Stadt. "And when I'll hit Frisco, I'm gonna be the ladiest damn lady you ever seen."

 
1970 erwartete das Publikum von "Bloody Sam", wie Roger Ebert es formulierte, The Wild Bunch part II. Genau das ist The Ballad of Cable Hogue natürlich nicht. Dennoch gibt der Film einen fast vollständigen Überblick der zentralen Themen und Motive von Peckipahs Werk. Es gibt den alten Westerner, der mit der Welt der Städte mit ihren widerlichen Bürokraten und windigen Bankern nichts anfangen kann. Es gibt die Männerfreundschaft. Es gibt das Sinnen auf Rache. Es gibt die Kritik am heuchlerischen Klerus. Es gibt die Prostituierte, für die Regisseur und Titelfigur alle mal mehr Sympathien hegen, als für die "gute Gesellschaft", die sie verstößt. Allerdings steht einiges in diesem Peckinpah-Film auf dem Kopf, vielleicht am deutlichsten in den Slapstick-haften Zeitraffer-Szenen. Verkehren diese doch den exzessiven Einsatz von Zeitlupen, den der Regisseur erstmals in The Wild Bunch benutzen sollte, und der in den folgenden Filmen zu seinem Markenzeichen wurde. Die Figur des "Pfarrers" Joshua (David Warner), darauf spezialisiert verheirateten Frauen ihr Seelenheil zu bringen, und zwar in einer Art, dass er sich vor ihren Männern in acht nehmen muss, steigert einerseits Peckinpahs Kritik an der verlogenen (Sexual-)Moral der Kirche ins endgültig Groteske, andererseits schlägt er hier auch einige sonderbare Volten. Kann doch der Pfarrer, der keiner ist, gerade dadurch zum Sympathieträger werden. Im Zentrum des Films steht aber die Liebesgeschichte. Hildy kommt auf dem Weg nach San Francisco in Cable Springs vorbei. Aus den zwei Tagen, die sie bleiben wollte, werden drei Wochen. In drei Wochen erzählte Zeit und fünfzehn Minuten Erzählzeit versucht Peckinpah alles Glück zu packen, das zwei Menschen auf Erden nur erleben können. Und es gelingt ihm so gut, wie so etwas nur gelingen kann.

I'll be in butterfly mornings
Butterfly mornings
And wild flower afternoons

Ein Kritiker hat Stella Stevens als Hildy, gemäß ihrem musikalischen Thema im Film, einem Schmetterling verglichen. Zunächst ist sie die Raupe, die sich dann auf ihrer Reise nach Frisco verpuppt, um schließlich im Auto und im atemberaubenden grünen Kleid voll entfaltet nochmals zu Cable zurückzukehren. Allerdings fungierten Autos ja schon in The Wild Bunch und Ride the High Country als Mahnmale für die Protagonisten, die ihnen anzeigten, dass ihre Zeit vorbei war. Cable wird dann direkt überfahren. Noch in dieser tragischen letzten Volte sucht der Film vor allem das Komische. Joshua hält einen Teil der Grabrede für Cable, als er noch am Leben ist. Das schlimme ist nicht das Sterben an sich, sagt Cable, "it's not knowing what they're going to say about you, that's all."
Für ihn ist der Tod ein Happy End. Der Schmetterling aber, der kann davon fliegen.



Das Publikum übrigens zeigte sich wenig amüsiert darüber, wie Peckinpah seine Erwartungen und Bedürfnisse ignorierte. The Ballad wurde eine Riesen-Flop. Trotzig bezeichnete der Regisseur ihn später als seinen Lieblingsfilm. Er beklagte sich, dass er für die Gewalt in seinen Film kritisiert werde, mache er aber einen Film ohne Gewalt, sähen ihn sich die Leute gar nicht erst an. Ich glaube die Verbitterung, die aus diesen Worten spricht, ist echt.


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