Posts mit dem Label Pre-Code werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Pre-Code werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 6. Oktober 2014

Wild Boys of the Road (William A. Wellman, USA 1933)

Der Film beginnt wie eine Komödie. Mit dem ausgiebig beschrifteten Auto, eine Klapperkarre mit Anker, der Freundin auf dem Rücksitz, die immer nur knutschen will (und wenn sie nicht knutschen will, will sie tanzen) und dem vom Tank anderer Autos abgezapften Benzin (ein Kniff, der angewendet werden muss, weil man den eigenen Tank auf die gleiche Weise geleert vorfand). Ein Film über Armut allerdings ist Wild Boys of the Road auch schon in diesen ersten Minuten, die eigentlich alles durchspielen, worum es in den nächsten siebzig gehen wird. Die Not, die erfinderisch macht: in Ermangelung der 75 Cent, die der Eintritt in den Tanzsaal nur für Jungs kostet, schmuggelt sich Tommy als Mädchen verkleidet rein. Und vor allem den Zusammenhalt unter den - hier sehr buchstäblich - Ausgeschlossenen, der mit dringlichem Pathos zelebriert wird.
Sehr bald aber hat die wirtschaftliche Lage, die Misere der Großen Depression den Film und seine beiden adoleszenten Protagonisten, Eddie und Tommy, vollends eingeholt - was nicht heißt, dass er sich nicht ein gewisses Maß an Humor bewahren würde. Im Angesicht von Arbeitslosigkeit und Überschuldung üben sich die Jungs zunächst im Verzicht (keine neuer Anzug, das Auto verkaufen), dessen Mechanismus darin besteht, als freiwillig auszugeben, was doch von der Situation aufgezwungen ist, lernen die kleinen Notlügen, die darauf abzielen, den Liebsten Kummer zu ersparen.
Schließlich und sehr bald reicht auch das nicht mehr aus, so dass die Jungs sich auf den Weg machen, um ihren Familien nicht länger zur Last zu fallen. Im Güterzug geht es in Richtung der großen Städte, nach Chicago und New York. Bald lernen sie Sally kennen, die auf die gleiche Weise on the road ist und überall treffen sie auf Hunderte von Jungs und Mädchen, die ihr Schicksal teilen. Mit zerrissenen Klamotten und schmutzigen Gesichtern fahren sie durchs Land auf der Suche nach Arbeit und einer Bleibe, die sie etwa in New York in slumartigen Holzverschlägen auf der städtischen Müllhalde finden (der sehnsüchtige Blick auf die Skyline aus dem Fenster sagt mehr als tausend Worte).Wind und Wetter sind sie ebenso ausgesetzt wie der Vertreibung überall, wo sie hinkommen. Der Film erzählt von einer Solidarität im Angesicht des alle bedrohenden Elends, die sich über die Grenzen von "Rasse", Klasse und Geschlecht hinwegsetzt. Nicht nur, dass die wild boys - and girls - of the road untereinander zusammenhalten wie Pech und Schwefel, es findet sich eben auch die überschwänglich freundliche Tante hier und der hilfsbereite Arzt da, die ihnen zur Seite stehen, wie sie nur können. Selbst zwei Polizisten befällt ein mulmiges Gefühl, wenn sie gegen sie vorgehen, sind sie sich doch bewusst, dass der Staat hier mit Polizeiknüppel und Feuerwehrschlauch gegen seine eigenen, buchstäblich auf der Strecke bleibenden Kinder kämpft.
Die Wucht und die Kompromisslosigkeit, mit der sich der Film ganz auf die Seite des jugendlichen Lumpenproletariats schlägt, das in der amerikanischen Gesellschaft der frühen Dreißiger nicht mehr ist als das fünfte Rad am Güterwaggon, muss man gesehen haben.
So absolut wie der Film auf die Identifizierung des Zuschauers mit den Jugendlichen abzielt, so distanzlos ist die Kamera mitten im Geschehen. Wenn es der Gruppe einmal gelingt, sich gegen die anrückende Polizei, die sie vom Zug vertreiben will, zur Wehr zu setzen, sieht die Kamera durch Polizistenaugen alles verschwommen aufgrund der Eier, mit denen die Jungs warfen. Sie ist auch mittendrin, wenn die Bande einen Bremser stellt, der ein Mädchen vergewaltigt hat (ein Höhepunkt in der Darstellung des ständigen Ausgeliefertseins dieser jungen Menschen). Es ist als würde die Kamera selbst die vielen fliegenden Fäuste abbekommen. Übrigens kommt der Mann dabei zu Tode, was in einem Pre-Code-Film nicht nur nicht gesühnt werden muss, sondern auch der positiven Identifikation mit den Jugendlichen nicht im Wege steht.
Schließlich gibt es die Szene, in der Tommy beim Abspringen von einem fahrenden Zug schlingert, mit dem Kopf gegen ein Schild knallt, sich mühsam über die Gleise windet und doch nicht verhindern kann, dass ein anrasender Zug ihm über das Bein fährt. Der Knall und der heranrauschende Zug sind perfekt gesetzte Schockmomente, die auch beim Zusehenden eine physische Wirkung nicht verfehlen. Die lange Szene, in der Eddie seinen Freund aufzuheitern versucht, während ihm ein Arzt das Bein abnimmt, wird abgelöst von einer Überblenden-Montage von marschierenden Beinen und entschlossenen Gesichtern unter Schiebermützen. Immer stellt sich der Film mit nahezu grenzenloser Empathie auf die Seite der Schwächsten unter den Schwachen.
Sicherlich stellt das Ende einen Bruch dar. Die erbitterte Anklage des Films, die Eddie ausgerechnet vor einem Richter nochmals vorträgt, wird ein Stück weit dadurch über den Haufen geworfen, dass besagter Richter mit Verständnis und einem Herz für (arme) Kinder alles ist, was es braucht, um das Schicksal der drei Hauptfiguren ins Positive zu wenden. Ekkehard Knörrer schreibt der Ausgang mache den Film zur "New-Deal-Propaganda" und schreibt, er sei Wellman wohl von Jack Warner vorgegeben worden.
Bleibt ein Film, der öfters die Richtung wechselt und doch immer zu 100% bei dem ist, was er gerade tut - und einen kleinen Hoffnungsschimmer mag ich dem Publikum der Depressionszeit, das seine Lage hier so schonungslos und ungefiltert vor Augen geführt bekam, durchaus vergönnen.

Übrigens ist die augenfälligste Parallele zum in einigen Punkten ähnlichen, ebenfalls großartigen Victimas del pecado, dass sich auch dort ausgerechnet eine Kinokasse Ziel eines Raubüberfalls wird (auch wenn in Mexiko wesentlich rabiater vorgegangen wird als in New York). Krisenzeiten scheinen nicht nur den Glamour der Gangster heraufzubeschwören, sondern vom Glamour des Kinos versprechen sich auch Gangstern ihren Teil vom großen Geld...

Montag, 1. September 2014

The Divorcee (Robert Z. Leonard, USA 1930)

"I've balanced our accounts," sagt Norma Shearer zu Chester Morris, ihrem Ehemann. Zunächst heißt das einfach nur, dass sie ihm in gleicher Münze heimgezahlt hat. Er war ihr untreu, also war sie ihm untreu . In der zweiten Hälfte des Films aber, die mit dieser Szene beginnt, weist der Satz auf eine doppelte emanzipatorische Utopie hin. Zunächst besteht sie darin, dass weibliche Untreue tatsächlich gleich behandelt wird wie männliche. Eine Gleichberechtigung der Geschlechter in Liebesdingen, die  die sexuell erfahrene Frau ebenso beurteilt wie den Mann, der sich austobt, sich "die Hörner abstößt". Dann muss sich aber auch der Mann befreien vor den Werten der patriarchalen Kultur, für die das unter keinen Umständen das gleiche ist, damit sich die Beiden, die sich lieben, letztlich ihre jeweiligen Seitensprünge verzeihen und wieder zueinander finden können.
In dem Gespräch zwischen den Eheleuten, das zur Trennung führen wird gibt es eine Szene, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Situation, wie sie ist, verdeutlicht und gleichzeitig eindeutig für Shearer Partei ergreift. Es gibt eine Zweier-Einstellung, in der sie streiten, sie seinem grimmigen Blick standhält, dann folgt die Kamera ihr, wie sie ihm den Rücken zudreht, während er aus dem Bildrahmen verschwindet. Gegenschnitt auf ihn, seine absolut verhärteten Züge.
Von hier an werden die beiden die nächsten vierzig Minuten Erzählzeit und viele Jahre erzählter Zeit alles tun, um einander zu vergessen. Diese paar Einstellungen jedoch machen die unterschiedlichen Ausgangspositionen ihrer jeweiligen Fluchtbewegungen klar. Sie flieht vor dem Bild, das sich der Mann von ihr macht, der Rolle der duldenden Ehefrau, die er und die patriarchale Gesellschaft ihr zudenken. Er flieht vor ihr, weil sein männliches Selbstbild besagt, dass er ihr nicht verzeihen darf, was sie getan hat. Da ist die Mobilität, die Bewegung, die doch über allerlei Um- und Abwege nur zu ihm zurückführt bei ihr, der Ausbruch aus den absolut erstarrten Geschlechterbildern bei ihm.
Er übt sich im Folgenden als stets betrunkener Party-Crusher. Wobei die schönste der Feierlichkeiten, auf denen er die Stimmung vermiest, eine Sylvester-Party ist. Über das ausgelassene Treiben in einem Saal, in dem alles tanzt und feiert, werden die einzelnen Musiker der Band geblendet. Die Laune ist so beschwingt, dass sie sich mühelos auf den Zusehenden überträgt.
Sie reist um die Welt und lernt allerlei Männer kennen. Der Großteil ihrer "Abenteuer" wird aufgelöst in drei Einstellungen, in denen nichts als Hände zu sehen sind. Männerhände, die ihr Brillantringe an die Finger stecken ("I heard of platonic love, but I didn't know there was such a thing as platonic jewelry.") In der zweiten dieser Einstellungen sitzen ihr und ihr Liebhaber sich an einem Tisch gegenüber, an der Wand hinter dem Tisch ist sein Schatten zu sehen. Aus den Dialogen wird die unterschiedliche Provinenz ihrer Liebhaber deutlich.
Norma Shearer und Greta Garbo sind die beiden Darstellerinnen an deren Schaffen entlang Mick LaSalle in seinem Buch "Complicated Women - Sex and Power in Pre-Code-Hollywood" die Geschichte der modernen Frauen im frühen amerikanischen Ton-Film erzählt. Ich hatte vor dem Buch nie von ihr gehört und The Divorcee ist der erste Film mit ihr, den ich gesehen habe. Tatsächlich ist sie eine großartige Schauspielerin. Da ist die Szene, in der sie Morris mit seinem besten Freund betrügt. Eine kurze Einstellung zeigt sie im Taxi auf dem Weg nachhause. Sie ist an ihn angelehnt, während ihr Blick fast direkt in die Kamera geht und sie tief seufzt. Ein Blick und ein Seufzer, aus denen mehr Genuss und Neugierde sprechen als Genugtuung. Sie fühlt sich in diesem Moment in ihrer Haut pudelwohl. LaSalle schreibt, eine der Hauptaufgaben des Hays Codes sei es gewesen, "to prevent women from having fun." Diese wenige Sekunden kurze Einstellung offenbart, dass Norma Shearer eine der Frauen war, die sich bestens darauf verstanden, auf der Leinwand Spaß zu haben.

Montag, 25. August 2014

Merrily We Go To Hell (Dorothy Arzner, USA 1932)

"I see you believe in signs." sagt Sylvia Sidney und meint die Leuchtreklame für Konserven, auf der ihr Familienname steht.
"Hmm-hmm. And all the signs point to three stars." antwortet Frederic March und meint das Etikett einer Schnapsflasche.
Einerseits ist das simple Symbolik. Die beiden Menschen, die sich in der ersten Szene des Films während einer Cocktail-Party auf dem Balkon vor einer herzigen Skyline-Attrappe kennenlernen, sind eine Konservenmillionärstochter und ein Alkoholiker.
Andererseits aber geht es Dorothy Arzner darum, ein Melodram zu schaffen, dass von allem symbolischen Überschuss befreit ist. In der Liebesgeschichte, die sich aus dieser Balkonszene der besonderen Art entwickeln wird, geht es um die Befreiung des Menschen von allem, was seinem Willen und seinem Streben zum Glück von außen übergestülpt oder in den Weg gelegt wird. Anders gesagt: damit die Zeichen nichts als Werbeschilder sind und die drei Sterne auf der Schnapsflasche nicht als drei Sterne auf der Schnapsflasche und die beiden Menschen, die sich zwischen den Zeichen und den Sternen ineinander verlieben, miteinander glücklich werden können, müssen sie sich zunächst jeder für sich befreien. Sie von dem Willen ihres Vaters, der, so grundliberal ist dieser Film auch in der Zeichnung seiner konservativeren Figuren, ganz ehrlich und ohne Klassendünkel ihr Bestes will, aber dennoch Schwierigkeiten hat, loszulassen und sie ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Er von der Schnapsflasche.
Trotz der Zweifel Sidneys an dem Mann, der am Anfang charmant und betrunken war, später hauptsächlich betrunken und unzuverlässig ist, läuten bald die Hochzeitsglocken (auf die übrigens übergeblendet wird von einer sehr schönen Einstellung von ihrem traurigen Gesicht, mit dem sie im Auto durch die Nacht fährt).
Ihre Zweifel erweisen sich zunächst als allzu berechtigt. March, der Journalist, der nebenher Stücke schreibt, verfällt mit seinem Durchbruch beim Theater wieder vollends der Flasche - und mit ihr einer verflossenen Liebe, die die Hauptrolle in seinem Stück spielt.
Was in der zweiten Filmhälfte beginnt ist ein Akt der Befreiung in Form eines Abwägens, das sich nach und nach aller Einflüsse von außen entledigt. Viele Pre-Code-Filme stellen ihre Amoral geradezu lustvoll aus (wogegen nichts zu sagen ist), Merrily We Go To Hell verfolgt einen anderen Weg oder eher: Er geht noch einen Schritt weiter. Auf dem Weg zur eigenen, freien, ungezwungenen Entscheidung lassen die beiden nicht nur die Zwänge gängiger christlicher Moralvorstellungen hinter sich, sondern auch den Zwang, sich ihnen genau entgegengesetzt zu verhalten. Es kommt zu einem Ende, das äußerlich den Vorgaben des Codes zu entsprechen scheint: Nach überwundener Krise dürfen sich die Eheleute wieder in die Arme fallen. Sie genügen damit aber eben nicht einem von Außen vorgegebenen moralischen Kodex, sondern folgen einfach ihrem Herzen. Sie hat gemerkt, dass sie seinen Seitensprung nicht einfach ignorieren oder in gleicher Münze heimzahlen kann. Er, dass das Leben mit seiner Frau mehr zu bieten hat, als die Aussicht, sich gemeinsam mit seiner geliebten tot zu saufen. So gibt es für die beiden Liebenden einen anderen Ausweg als den, den der tolle Titel verspricht.

Donnerstag, 14. August 2014

Red-Headed Woman (Jack Conway, USA 1932)

"So gentlemen prefer blonds, do they? Yes, they do."
Jean Harlow spielt die rotharige Frau von der anderen Seite der Bahngleise, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die von ihr selbst zu Beginn formulierte Regel zu unterlaufen. Denn Red-Headed Woman ist ein weiteres furioses Kuriosum aus der "Era Before Rules" (so nennt ein DVD-Cover die Zeit des frühen Hollywood-Tonfilms und vielleicht ist das entscheidende an diesem wie vielen anderen Pre-Code-Filme nicht, dass es eben einen offeneren und spielerischeren Umgang mit Sex - inklusive Untreue und Polygamie - und Zynismus gab, als im amerikanischen Kino - mindestens - der folgenden drei Jahrzehnte, sondern dass es eben keinen Code gab, kein Wertesystem, dass ordnend und hierarchisierend in die Beziehungen der Figuren, in das Verhältnis von Sex, Liebe, Macht und Geld eingegriffen hätte. Regeln sind hier grundsätzlich da, um gebrochen zu werden, und was dann entsteht, ist nicht einfach Amoral, sondern immer wieder eine ziemlich ausgelassene und fröhliche Form der Anarchie.)
Harlows einziges Ziel ist es, auf die Seite der Bahngleise zu gelangen, wo das Geld und das vermeintlich gute Leben sind. Ihr einziges Mittel, dieses Ziel zu erreichen, ist ihr Körper, den sie von der ersten Einstellung an hegt und pflegt und möglichst verführerisch und sexy in Szene setzt. Der Mann, durch den sie ihr Ziel zu erreichen sucht, ist ihr Chef, gespielt von Chester Morris. Die Insistenz, mit der sie ihrer Verführungsaufgabe nachkommt, macht die erste Filmhälfte eher zu einer Stalking-Komödie als zu einer Aufstiegsgeschichte. 
Zumal der Film sich für die sozialen Realitäten, dafür, was es heißt, von der falschen Seite der Bahngleise zu kommen, nicht wirklich interessiert (ganz anders etwa als der thematisch eng verwandte Angel Face, bei dem der unbedingte Aufstiegswille Barbara Stanwycks durch die grausamen sozialen Verhältnisse motiviert wird - die Spelunke in den Slums, in der sie sich prostituiert, wobei ihr eigener Vater als ihr Zuhälter agiert).
Natürlich ist Morris verheiratet. Mit der distinguirten Blondine Leila Hyams, die schnell von der Affäre ihres Mannes mitbekommt (wahrlich gemein ist die Überblende von Hyams weinendem auf Harlows lachendes Gesicht). An einer Stelle sagt sie zu Harlow: "You won't have him long. You caught him with sex. But that doesn't last forever, and when it's gone you'll lose him. Because than he'll want love. And love is one thing you don't know anything about and never will."
Daraus ergeben sich einfache Dichotomien. Sex ist rotharig, Liebe ist blond. Sex ist von der "falschen", der proletarischen Seite der Bahngleise, Liebe von der "richtigen", der aristokratischen.
Für Morris geht es wohl tatsächlich um das Hin und Her-Gerissensein zwischen den beiden Frauen, zwischen Sex und Liebe. Wobei die Sexualität auch eine deutlich aggressive Komponente hat, bei diesem Mann aus der feinen Gesellschaft mit dem Gesicht eines Profiboxers, unter dem es ständig zu kochen scheint. Am deutlichsten wird das in der Szene, in der Morris und Harlow hinter einer verschlossenen Tür streiten, an der Harlows Mitbewohnerin lauscht. Was sie hört - und wir mit ihr - könnte darauf hindeuten, dass der Mann die Frau verprügelt, ebenso sehr könnte es aber auch eine Vergewaltigung sein. Mindestens implizit sagt der Film damit auch, dass die brave Ehefrau für die "wilden", die sadistischen Anteile der männlichen Sexualität keine Abfuhr bieten kann. (Überhaupt: was man sich in diesem zynischen Filmchen unter Liebe vorzustellen hat, muss wahrlich eine stinklangweilige Angelegenheit sein.)
Noch viel ambivalenter ist der Film, was das Verhalten Harlows anbelangt. Da ist zunächst ihre enorme Fixierung auf Morris, obwohl er für sie doch nur Mittel zum Zweck ist. Sehr bezeichnend -  und ganz großartig - ist die Szene, in der sie meint, Morris würde sie mit seiner Frau "betrügen". Sie tut, was Männer im Film meist in einer solchen Situation tun, sie betrinkt sich sinnlos. Dass sie dann weint und mit den Füßen auf einem Portrait von Morris rumtrampelt, ist im Vokabular des klassischen Hollywoods wohl eine typisch weibliche Reaktion. Dass sie sich selbst und der Welt beweisen muss, dass sie auch als rotharige Frau aus armen Verhältnissen einen Gentleman an sich binden kann, ist mehr als bloßer Narzissmus. Vielmehr geht es dabei um ein Experiment mit den Klassenhierarchien. Der soziale Aufstieg hat es hier nicht (oder zumindest: nicht an erster Stelle) zum Ziel, dem Elend zu entkommen, sondern zu zeigen, dass frau durch den Sex die Regeln einer patriarchalen Welt, einer verknöcherten Oberschicht, in der weiße, reiche Männer (je älter, desto reicher) das Sagen haben, aufbrechen kann.
Harlow muss dabei zunächst Rückschläge hinnehmen. Sie schafft es, Morris und Hyams auseinanderbringen. Sie heiratet ihn und zieht mit ihm auf die gegenüberliegende Straßenseite des Hauses, in dem er mit Hyams wohnte, und in dem sie immer noch wohnt. Morris' Bekannte meiden sie demonstrativ. Als es ihm gelingt, sie doch zu einem Dinner einzuladen, gehen sie früh - rüber zu Hyams. Harlow muss feststellen, dass Haus. Mann und Name nicht genug sind, um das soziale Stigma der Herkunft loszuwerden. Wo sie ist, ist die falsche Seite der Straße.
Ihre Lösung ist, sich einen noch reicheren Liebhaber zu nehmen und ihn mit seinem Chauffeur zu betrügen. "I'm the happiest girl in the world. I'm in love and I'm gonna get married." "Gonna marry Albert?" "No, Gaerste." "In love with Gaerste?" "No, Albert."
Wo eine Frau wie sie in der Oberklasse für den Sex vorbehalten ist, behält sie sich ihre Liebe für einen Bediensteten vor.
Nach allerelei Wendungen läuft das - wie in Employees' Entrance - auf ein doppeltes Happy End hinaus, das auch hier dafür steht, dass es nicht eine, moralisch einwandfreie Auflösung gibt. Morris und Hyams dürfen schließlich wieder in Liebe zueinanderfinden. Harlow heiratet in Paris einen reichen Franzosen - Albert, ihren Chauffeur, nimmt sie mit.