Dienstag, 25. März 2014

Fünf Gründe, warum "Blue Steel" ein Meisterwerk ist.



 
1. Pistolen
Schon im Vorspann: Die Kamera gleitet im extremen Close-Up über den blauen Stahl (und was für ein stahlblau das ist!), streichelt ihn, spielt mit ihm. Der Revolver ist in diesem Film kein Freud'scher Fetisch, kein Penisersatz, kein sexualisiertes Nicht-Sexuelles. Die Schusswaffengewalt in "Blue Steel" ist sexuell. Das zu beschreiben zu versuchen, hätte keinen Sinn, weil der Film selbst es nicht beschreibt, sondern zeigt. Um die sadistische Triebabfuhr - auch und vor allem auf Seiten des Zuschauers - geht es dabei gerade nicht, sondern um eine dezidiert filmische Auseinandersetzung mit einer sehr spezifischen Psychopathologie.

2. Gesichter
Jamie Lee Curtis muss zu Beginn eigentlich nichts tun, außer stolz in ihrer neuen Uniform eine Straße entlang gehen und herzlich lachen, um den Zuschauer auf Gedeih und Verderb die restlichen 100 Minuten auf ihrer Seite zu haben. Ein guter Einstieg in einen Film, dessen Hauptschauplatz Gesichter sind. Curtis Gesicht, Ron Silvers Gesicht. Genre-Analogien (Western, Horrorfilm) drängen sich auf, führen aber wahrscheinlich ins nichts. Einen Film, der so mit Großaufnahmen arbeitet wie dieser habe ich noch nie gesehen. Punkt.



 
 
 
 
 
3. Kapitalismuskritik
Ron Silver, Broker und Killer, fliegt in einer Szene im Hubschrauber mit Curtis über Manhattan. Die Leute da unten, sagt er, sehen von hier oben aus wie Punkte, schrecklich klein und unwichtig. So wie die Menschen in seinem Blick aus dem Helikopter zu leuchtenden Punkten in der Nacht werden, zu kleinen Lichtern, die er nach belieben auslöschen kann, so werden in seinem Job im Stock Exchange menschliche Schicksale zu Zahlenreihen, die über die Bildschirme flimmern. Grimmiger, vernichtender kann man vom neoliberal entfesselten Finanzkapitalismus eigentlich kaum erzählen. (Auch die Entfesselung ist in dieser Szene, in der Art, wie die Kamera über die Lichter der nächtlichen Skyline schwebt sehr wörtlich zu nehmen, oder doch: bildlich.) Eigentlich: denn auch hier geht es Bigelow nicht ums Denunzieren, sondern ums Verstehen.

4. Straßen
Die Kamera taucht durch das Lichtermeer der nächtlichen Straßen von Manhattan. "Blue Steel" spielt in einem Neon-Zwielicht, in dem die Menschen oft nur noch Schatten sind. Eine Welt die beständig zerfällt, sich auflöst, zerfließt im Regenschleier auf den Autoscheiben. Nur die Kadrierung hält sie noch - notdürftig - zusammen.

5. Gewalt
Aus der extremen Stilisierung, aus der albtraumhaften Atmosphäre reißen einen die eruptiven Entladungen der Gewalt. Sie werfen einen wieder ganz zurück auf sich selbst, auf den eigenen Körper. Wenn geschossen wird und das Blut spritzt ist "Blue Steel" auf einmal ganz Körperkino, das durch Mark und Bein (oder auch: Arm) geht.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen