Dienstag, 11. Februar 2014

Hinweis auf meinen Text zu "True Heart Susie" in der filmgazette....

...und einige Gedanken zur Struktur des Begehrens in zwei Filmen von D. W. Griffith

Zur Vorbereitung auf meinen Text zum großartigen True Heart Susie von D. W. Griffith, habe ich mir auch The Birth of a Nation, Griffith' vielleicht berühmtesten und sicherlich umstrittensten Film, erstmalig angeguckt. Mit dem großen Bürgerkriegs- und Nationsbildungsepos konnte (bzw. wollte) ich mich nicht  anfreunden. Die technische und formale Meisterschaft wiegt für mich seine rassistische Herrschaftsideologie nicht auf. Erschwerend kommt noch hinzu, dass mich der erste-, der Bürgerkriegsteil eher kalt ließ,  während mich erst der zweite-, der Reconstructionteil, in dem der Film dann ideologisch endgültig unerträglich wird, wirklich mitgerissen, stellenweise umgehauen hat. Nur hatte ich da eben gar keine Lust mehr, mich von einem Film mitreißen oder umhauen zu lassen, der Schwarze als niederträchtige und primitive Untermenschen darstellt - und den Ku-Klux-Klan als Widerstandsbewegung, die den Süden aus den Klauen der schwarzen Barbarei befreite. 
In beiden Filmen hat das Melodram ein klares Ziel vor Augen: Die Schaffung einer intakten anständigen Familie in True Heart Susie, die einer großen zivilisierten Nation in Birth. Um das Kleine, das individuelle Begehren der Menschen, so in den Dienst des Großen stellen zu können, wird zunächst ein gutes von einem schlechten, ein legitimes von einem illegitimen Begehren unterschieden. In True Heart Susie ist es das Begehren des Mannes, William heißt er, für zwei verschiedene Typen von Frauen, man könnte auch sagen: Zwei verschiedene Frauenbilder. Die treuherzige Titelfigur, plain and simple, steht auf der einen Seite, die "Schminke - und Puderbrigaden" (die martialische Metaphorik ist überaus aufschlussreich: Die "Liebe" als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln) auf der anderen.
Während Susie sich für ihren geliebten ganz und gar aufopfert, von Anfang an nur und immer für ihn da ist, wollen die aufgetakelten Frauen vor allem eins: Leben. Sie wollen ausgehen, tanzen, ficken, womöglich gar nicht nur mit einem Mann. Dass der Mann gerade den zweiten Frauentyp begehrt, dass Märtyrerinnen offenbar schrecklich unsexy sind, ist eine Prämisse, die Griffith setzt, und die durch die Domestizierung des männlichen Begehrens überwunden werden muss. Im Dienste der größeren Sache muss William aufhören, die Frauen zu begehren, die sich auch begehrenswert machen, und damit immer schon gefährlich für den Mann sind (nicht weil sie wirklich selbst zu Subjekten eines sexuellen Begehrens werden würden, aber immerhin scheinen sie sich, ganz anders als Susie, ihres Status als Objekt des männlichen Begehrens - und der gewissen Macht, die ihnen dieser verleiht - durchaus bewusst zu sein).
In Birth nun wird die Unterscheidung gemacht zwischen dem Begehren von weißen und schwarzen Männern - das sich bei beiden ausschließlich auf weiße Frauen richtet. Natürlich ist nur das der ersteren legitim. Melodram und Historie müssen sich hier so verbinden, dass nur das zusammenwächst, was auch zusammengehört (die Weißen aus den Nord- und Südstaaten), während das, was nicht zusammengehört (Weiße und Schwarze) tunlichst getrennt zu bleiben hat. Weiße Männer begehren Frauen wie es echte Gentlemen tun, Schwarze hingegen in der Art gefährlicher Wilder. Nur das gute, das zivilisierte, das "weiße" Begehren kann zum Zeugungsakt einer guten, zivilisierten (und weißen) Nation führen.
Auf den ersten Blick ist die sexualitätsfeindliche Bigotterie von True Heart Susie auch nicht viel liebenswürdiger als der unverhohlene Rassismus von Birth. Nur baut Griffith hier unverkennbar einige Widerhaken ein.
William heiratet schließlich die "Schminke- und Puderfrau" Bettina, sie ist - wie könnte es anders sein - eine ziemlich miserable Ehefrau. In einer Szene wird verbildlicht, wie er sein Eheleben gerne hätte, wie es aber in Wirklichkeit absolut nicht ist. Hier wird die biedere Männerphantasie von der überaufmerksamen, liebevollen Hausfrau inszeniert als Phantasie eines biederen Mannes.
Durch ein Unwetter, relativ leicht als göttlicher Eingriff erkennbar, wird ihm die falsche Frau vom Hals geschafft. Als er nach ihrem Tod auch noch von ihrer Untreue erfährt, steht seinem Glück mit Susie nichts mehr im Wege.
Allerdings lautet der letzte Zwischentitel dieses Films, der zu Beginn noch verkündete, alles was er erzählt sei absolut wahr:

And we may believe that they walk again as they did long years ago.

Mögen wir das glauben? Oder klingt das nicht viel eher, als ob der Film selbst seinem Märchen von der Domestizierung des Begehrens nicht ein einziges Wort glaubt?

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