Donnerstag, 28. November 2013

Peckinpah-Notizen 3: Ride the High Country (1962)




 "My father says there's only right and wrong - good and evil. Nothing in between. It isn't that simple, is it?"
 "No, it isn't. It should be, but it isn't."
Genau zwischen den Extremen der väterlich-bigotten Weltsicht spielt Ride the High Country. Peckinpahs Hochland ist eine Zwischenwelt, in der man sich nach Einfachheit nur sehnen kann. Äußerlich liegt es zwischen der Stadt, dem Kapitalismus, den sich dieser Regisseur offenbar nur als grotesken Rummelplatz vorstellen kann, und der Goldmine in den Bergen, die sie beliefert. Gut und Böse, richtig und falsch können nur noch zwischen diesen beiden Polen der Reise, die der Film beschreibt, in und zwischen den vier Hauptfiguren überhaupt verhandelt werden. Jenseits von ihnen gibt es nur karikatureske Niedertracht, sei es von verschlagenen Bankern auf der einen oder gewalttätigen Rednecks auf der anderen Seite.
Ride the High Country ist ein Spätwestern - in jeder Beziehung. Den alten Westen gibt es nicht mehr und die Westerner, werden so oft auf ihr Alter angesprochen, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als sich gegenseitig damit aufzuziehen, sich ihr Stigma mit grimmigem Fatalisimus, in dem bei Peckinpah immer eine große Portion Zärtlichkeit steckt, anzueignen. Am Anfang muss der eine (Joel McCrea) aufpassen, dass er nicht von Kamelen überrannt oder von Autos überfahren wird, während der andere (Randolph Scott) nur noch als Jahrmarktsattraktion seinen Platz in dieser neuen Welt findet, der alle alten Versprechen von paradiesischer Freiheit gründlich ausgetrieben scheinen. Die beiden tun sich zusammen, um, im Auftrag der örtlichen Bank und gegen spärliche Bezahlung, eine große Ladung Gold aus der Mine in Goldcoarse in die Stadt zu bringen. Als dritter gesellt sich ein junger Mann (Heck Longtree) zu ihnen, der schon bald zwischen den unterschiedlichen Ambitionen der beiden älteren steht. Das Figuren-Quartett wird vollständig durch eine junge Frau (Mariette Hartley), die sich auf einer Farm, auf der die drei Männer übernachten, ihnen anschließt, fest entschlossen, einen Mann in Goldcoarse zu heiraten, um den Fängen ihres fanatisch religiösen Vaters zu entkommen. Von den beiden zentralen Konflikten des Films, ist der, den die denkwürdigen Dialoge zwischen McCrea und Scott in den Mittelpunkt rücken - Reichtum oder Ehre, schnelles Geld machen vs. das berühmte "I just wanna enter my house justified" - eigentlich der unbedeutendere. Wie in The Deadly Companinos ist die Frau, hier die auf atemberaubend schlichte Weise schöne Mariette Hartley, heimliche Hauptfigur des Films. War der Name Sam Peckinpah - spätestens - ab Straw Dogs (1971) für viele Feministinnen - nicht ohne Grund - ein rotes Tuch, gibt es hier sehr deutlich Ambivalenzen. Dass die Frau als das, worum die Männer kämpfen, mehr noch als das Gold, zu einem Objekt wird, macht der Film durchaus explizit sichtbar. Sie entkommt ihrer Opferrolle nicht aus eigener Kraft, wird nie wirklich zur Akteurin, aber Peckinpah solidarisiert sich durchaus mit ihrem Konflikt, der - ganz kurz gesagt - darin besteht, dass sie keine Männer will, die sie schlagen. Ihre Unterdrückung macht Peckinpah schon in der Einführung der Figur deutlich, wenn sie mit schlabbrigen Klamotten und Strohhut zunächst nicht mal als Frau zu erkennen ist, weil ihr Vater meint, ihre Reize vor der Welt verstecken zu müssen. Das Faszinierende an diesem Film ist, wie es ihm gelingt, einen vollkommen ungeschönten und dennoch ungemein zärtlichen Blick auf die Figuren und ihre Verhältnise zu werfen. Die beiden alten Männer schnauben fürchterlich, wenn sie den Berg hoch reiten, und philosophieren auch schon mal in ihrer Unterwäsche und bleiben dennoch larger than life. Und sei es auch nur im großen Pathos einer theatralischen Todesgeste.


 Übrigens: Es ist nicht so, dass Peckinpahs meisterlicher zweiter Kino-Film sein nicht ganz gelungenes Debut weiter diskreditieren würde. Vielmehr ist es eine wahre Freude zu sehen, wenn man sich die beiden Filme zeitnah anguckt, wie das, was dort schon an guten Ansätzen und Ideen vorhanden war, sich aber nicht wirklich entfalten konnte und bisweilen recht unbeholfen vor sich hin plätscherte, hier aufgeht und ins Fließen kommt. (Nun ist die letzte Metapher aber grundfalsch, um von Peckinpah zu sprechen. Ums Fließen gehts bei ihm ja gerade nicht, sondern um die großen (Um-)Brüche. Erzählt wird immer von den Rissen her, die sich durch Geschichte und Biographie ziehen, von den Kriegen und Zivilisationsschüben, kollektiven und persönlichen Traumata. Die furiose Montage des finalen Shoot-outs exerziert das - wie die Zeitlupensequenzen in späteren Filmen, die zum Markenzeichen des Regisseurs wurden - auf formaler Ebene durch in einer radikalen Fragmentierung von Bewegung und Bilderfluß.)



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