Sonntag, 4. Januar 2015

The Pirate (Vincente Minnelli, USA 1948)

"Macoco leaves a flaming trail of masculinity/ And suddenly I feel I've got a big affinity/ And I'm loco for Mack, Mack, Mack the Black Macoco"

Alles beginnt mit einer Frauenphantasie. Judy Garland träumt davon, von dem berüchtigten Piraten "Mack the Black" Macoco verführt zu werden, und mit ihm aus ihrem karibischen Kaff fortzukommen in die große weite Welt. Der sexuelle Gehalt dieser Phantasie ist so offenkundig, dass sie um das Lied von ihrer Anbetung für den Piraten zu singen unter Hypnose stehen muss.
Auf der Seite ihres Gegenparts, Gene Kelly, gibt es zunächst eine weitaus gewöhnlichere Männerphantasie. So vielen schönen Frauen begegnet er als reisender Schauspieler, dass er sich in seiner ersten Nummer - vielleicht gleich der schönsten des ganzen Films - darauf verlegt, sie alle mit einem einzigen Namen anzusprechen: Ninia. So tänzelt er sich von einer Schönheit zur nächsten (Ninia, Ninia, Ninia, Ninia), kreuz und quer und auf und ab durch die rührigen Tropendorfkulissen. (Bemerkenswert an dieser Szene ist auch, wie die Frauen in ihrem Verlauf vom Objekt zum Subjekt des Blickes werden, wie Kelly zunächst viele attraktive Frauen sieht, um schließlich beim Tango auf einem Podest selbst zur Attraktion für die nun weiblichen Blickträgerinnen zu werden.)
Um von der Polygamie dieser Phantasie "geheilt" zu werden, bedarf es nur eines einzigen Blickes auf Garland. Männerliebe ist im Musical immer Liebe auf den ersten Blick, der einschlägt wie ein Blitz. Die Frau widersteht den beharrlichen Avancen, dem Stürmen und Drängeln zunächst, muss erst nach und nach erobert werden. So auch Garland hier, die ja in Macoco verliebt ist, den Mann ihrer Phantasie, die in Filmen wie diesem allemal der schnöden Realität überlegen ist.
Doch Kelly und der Pirat haben zunächst noch einen Mitbewerber. Ihre Tante, bei der Garland lebt, hat eine gewinnbringend Hochzeit mit dem Bürgermeister des Ortes (Walter Slezak) arrangiert. Weit über die erste Hälfte des Films und durch einen wunderbar abstrusen Plot Point hindurch, bleibt Macoco, der Phantasiemann, das Objekt von Garlands Begehren. In einem doppelbödigen Spiel der falschen Identitäten gilt es, Macoco zu sein, um ihr Herz zu gewinnen.
Von den Musicals, die ich in den letzten Wochen im Arsenal gesehen habe, ist The Pirate vielleicht das schönste, jedenfalls das, in dem mir Judy Garland am besten gefiel. Sie gibt ihre Rolle mit einer Hysterie, die das ganze Figuren-Dreieck, ja, den ganzen Film ansteckt. Die Inbrunst mit der sie ihre Sehnsucht aufs Meer, in die weite Welt zieht, zu Beginn. Dann später die Leidenschaft in ihrer Macoco-Nummer - einem der Durchweg großartigen Songs von Cole Porter. Schließlich eine Szene, in der ein herrschaftlicher Salon nur deshalb vollgestellt mit Vasen und allerlei anderen Tand erscheint, damit Garland etwas hat, was sie nach Kelly schmeißen kann.
Toll ist auch die Nummer in der Garlands Piratenphantasie in einem leicht bekleideten Kelly Fleisch wird - pyrotechnischer Mehraufwand inbegriffen.
Schließlich Kellys letzte Performance mit dem reizenden Ratschlag "Be a Clown" - zunächst mit den Nicholas Brothers, dann mit Garland, dem neuen Star in seinem Programm, der mit den übergroßen Clownsklamotten ganz reizend aussieht.
MGM gaben mit The Pirate alles, was sie hatten - und scheiterten kolossal. Der Film wurde ein Flop - der Freude an der entfesselten guten Laune, wie sie typisch ist für das Musical der Vierziger und Fünfziger ist, tut das sicherlich keinen Abbruch.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen